Der Künstler & Anwalt

Ist dieser Artikel ein Plagiat?

Der Wiener Guido Kucsko ist ein international erfolgreicher Künstler, Anwalt und Honorar-Professor für Geistiges Eigentum. Bei seinen Vorlesungen am Juridicum kann es schon mal passieren, dass er spontan ein Zauberkunststück zum Besten gibt. Wann ist eine Idee einzigartig? Haben wir ein Copyright auf unsere Handschrift? Kann Künstliche Intelligenz Schöpferin geistigen Eigentums sein? Mit diesen Fragen beschäftigt sich Kucsko nicht nur in seiner Kanzlei, sondern auch in seinem Atelier.

„Man muss dem Klischee nicht entsprechen!“

Antje Mayer-Salvi: Spießt es sich, Künstler und Jurist in einer Person zu sein?

Guido Kucsko: Es spießt sich total. In der allgemeinen Auffassung ist es mehr als merkwürdig, dass ein erfolgreicher Wirtschaftsanwalt Künstler ist. Das sind zwei Berufe, die in der Perzeption nicht zusammenpassen.

Wie reagiert das Umfeld darauf?

Es hat Probleme bereitet, bis zu dem Moment, in dem ich in einer erstklassigen Galerie (Galerie Ulyssees, Anm. der Red.) als Künstler aufgenommen wurde und Ausstellungen in namhaften internationalen Museen und Ausstellungshäusern zeigen konnte, sodass das jetzt kein Thema mehr ist. Man muss dem Klischee nicht entsprechen. Man kann beides gleichzeitig sein.

Ihre Uni-Vorlesungen gelten als legendär, so manche gerät zur Zaubervorstellung!

Manchmal kann es tatsächlich passieren, dass eine Feuerfontäne aus meinem Buch herausspringt. Das hat den positiven Effekt, dass alle plötzlich ganz aufmerksam werden, und es bricht auch ein wenig die übliche Erwartungshaltung, dass es bei der Juristerei um etwas Trockenes geht. Sie ist überaus kreativ!

Hat man Ihnen das Zaubern an der Universität gelehrt?

Meine Großmutter kannte eine Menge alter Zauberkunststücke. Wenn ich als kleiner Junge sehr brav war, durfte ich mir etwas aus ihrem Zauberkasten aussuchen. Ihre Sammlung führe ich bis heute fort. Wien ist die einzige Großstadt der Welt, die 5 Straßen nach Zauberern benannt hat. Es gab sogar einige Handwerksbetriebe in Wien, die auf Zauberei-Zubehör spezialisiert waren und sie international vertrieben. Es war sehr beliebt, in den Wiener Salons, nach einem netten eleganten Abendessen etwa, den Gästen Zauberkunststücke vorzuführen.

Sie haben eben gemeint, Jus sei kreativ. Gibt es so etwas wie die Schönheit einer juristischen Problemlösung?

Die Schönheit der Problemlösung liegt etwa darin, einen Schriftsatz zu formulieren, der aus einem sehr komplexen Lebenssachverhalt, der Wahrheit entsprechend, aber dem Interesse der Mandantin dienend, eine Darstellung macht, die bei der Leserin, die darüber gar nichts weiß, die das vielleicht auch gar nicht interessiert, Interesse weckt. Das ist juristisches Storytelling und das ist eine kreative Arbeit!

Sie sind Künstler, Sammler von Zauberuntensilien und Sie sind ein ausgewiesener Urheberrechtsexperte. Passt alles ja doch irgendwie zusammen. Können Sie mir dann auch die Frage beantworten, wem die Luft gehört?

Nein, da gibt es natürlich kein Urheberrecht. Die Luft ist nicht vom Menschen geschaffen. Anders wäre es, wenn ein Techniker synthetische Luft herstellen könnte, die zum Beispiel duftet. Der Geruch wäre eventuell eine eigentümliche geistige Schöpfung.

„Unser Bestreben möglichst alles urheberrechtlich zu schützen und zu verbieten, sollte keine Maxime sein.“

Wie ist das mit Tattoos?

Tatsächlich ein großes Problem! Viele Menschen sehen Tattoos als Teil ihrer Persönlichkeit. In Amerika werden da zurzeit Prozesse von Sportlern geführt, deren „Markenzeichen“ ganz charakteristische Tattoos sind. Wenn eine virtuelle Figur in einem Game das gleiche Tattoo trägt, weil es den Sportler darstellen soll, beginnt das Problem.

Der Tattoo-Künstler hat es ja nicht auf eine Leinwand oder auf Papier gestochen!

Der Tattoo Künstler klagt und sagt: „Es ist auf deine Haut gestochen, aber es ist mein Werk der bildenden Kunst“. Der Inhaber des Tattoos entgegnet: „Es ist Teil meiner Persönlichkeit geworden, das gehört zu mir, und ich will, dass ich auch so gezeichnet und abgebildet werden kann!“ Der Künstler argumentiert: „Ja, aber jede Abbildung ist eine Vervielfältigung meines Werkes.“ Meine Empfehlung ist, dass jeder, der sich ein Tattoo stechen lässt, eine Lizenzvereinbarung an dem Bild abschließen sollte, damit er sich abfotografieren lassen kann. Skurrile Situationen!

Alles Urheberrechtliche scheint mir in globalen und digitalen Zeiten wie diesen eigentlich kaum mehr beherrschbar! Ist es nicht ein Kampf gegen Windmühlen?

Nein, ich sehe darin kein Riesenproblem! Ich glaube, dass unser Bestreben möglichst alles urheberrechtlich zu schützen und zu verbieten keine Maxime sein sollte. Wir brauchen diese Freiräume. Ich glaube auch, dass es der Kunst hilft, verbreitet zu werden. Ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn jemand meine Werke fotografiert und auf Instagram stellt. Ich bin dafür eher dankbar. Ich glaube nicht, dass wir das Urheberrecht ständig verschärfen müssen, es ist in vielen Bereichen schon zu scharf.

Sie finden das Urheberrecht zu scharf?

Absolut! Wenn man daran denkt, dass heutzutage schon jedes Logo als Werk der bildenden Kunst judiziert wird, dann frage ich mich, ob die Mechanismen noch passen.

„Wem gehören meine Gedanken?“

Im Internet schert sich ja ohnehin keiner mehr ums Urheberrecht: Da wird recycelt, geändert, gesampelt!

Finde ich als Künstler völlig okay, für den Urheberrechtler in mir ist das aber natürlich höchst problematisch. Wie gehen wir mit Appropriation Art um, bei der ich erkenne, dass ein fremdes Werk angeeignet wurde? Genügt es zu sagen: „Ja, aber mit einem völlig eigenen gedanklichen Konzept, wodurch ein eigenes Werk entstanden ist.“ „Ja, mag schon sein,“ entgegnet die Gegenpartei, „aber ich sehe immer noch das Original darin.“ Ist es also eine bloße Bearbeitung des Originals, oder ist das Original wirklich so verblasst, dass das eigene Werk dominant ist? Man sollte dem Künstler die Freiheit geben, Appropriation Art zu schaffen, natürlich nur wenn er kein reiner Kopist oder Plagiator ist.

Geraten Sie als Urheberrechtsexperte derzeit nicht permanent an Ihre Grenzen?

Laufend! Weil die Werkzeuge, die wir haben, nicht auf die schnellen digitalen und globalen Entwicklungen ausgerichtet sind. Das beginnt schon mit dem fundamentalen Problem, dass jedes Land sein eigenes Urheberrechtssystem anwendet, und nicht einmal in Europa ein vollständiges System existiert.

Das heißt, Sie haben mehr Arbeit als je zuvor?

Als ich als Jurist in der Kanzlei Schönherr in Wien, bei der ich inzwischen Partner bin, zu arbeiten begann und meinem Chef eröffnete, dass ich mich gerne auf Urheberrecht spezialisieren möchte, meinte er, dass das zwar sehr interessant sei, aber ich solle das doch am Wochenende tun, weil es nicht genug Causen gebe. In meinem Team sind wir inzwischen fünf Anwälte und noch weitere Juristen, die sich ausschließlich mit geistigem Eigentum beschäftigen. Ein Zeichen dafür, dass unsere Gesellschaft erkennt, dass das Wertvollste die Kreativleistung ist.

„Geraten Sie als Urheberrechtsexperte derzeit nicht permanent an Ihre Grenzen? Laufend!“

Urheberrecht ist geradezu philosophisch!

Es ist zutiefst in unserem Leben verankert. Es betrifft Fragen wie: Wem gehören meine Gedanken? Gehören sie mir, oder gehören sie der Allgemeinheit? Wer darf wie mit meinen Gedanken umgehen?

Sie beschäftigen sich in ihrer Kunst ständig mit diesen Fragen. Wie entsteht eine Idee? Wer ist ein Urheber? Wir stehen gerade vor einem schwarzen Bild, auf dem wir lesen können: „Is my handwriting a piece of art?“ Was hat es damit auf sich?

Die Vorgeschichte ist ein Fall, bei dem ein Grafiker eine Freundin bat, ihre Handschrift zu einer Font zu machen. Er hat alle Buchstaben verbunden und daraus eine funktionale Computerschrift gemacht. Eine Agentur verwendete die Typo ohne Lizenz. Der Grafiker hat dies dann eingeklagt. Eine Handschrift sei Inbegriff des individuellen Ausdrucks, so das Argument. Das Höchstgericht hat es sich nicht leicht gemacht und schlussendlich entschieden, dass eine Handschrift nicht urheberrechtlich zu schützen sei, „weil sie nicht als Schöpfung gesetzt ist, sondern etwas ist, was man durch das Leben erlernt.“

Sie scheinen mir aber doch der Urheber dieses Kunstwerk zu sein!

Das ist eben die Frage! Wohl nur, wenn ich diesen Satz auf ein Bild im Kontext einer musealen Präsentation schreibe?!

Müssen wir das Urheberrecht in Zeiten der digitalen Revolution umschreiben?

Es wird besonders spannend, wenn Artificial Intelligence Kunst schafft und aus einem großen Fundus ihrer Datenbank schöpft und wirklich eigene, neue Kunst hervorbringt. Wer ist dann der Schöpfer? Der Programmierer ist es nicht. Der Eigentümer der riesigen Rechenanlage? Wir haben noch keine Antworten darauf. Die Rechtsordnung wird darauf reagieren müssen.

Steht das Urheberrecht nur Menschen zu?

Es gibt einen Fall mit einem Affen, der heftig diskutiert wurde. Ein Fotograf, der für ein Naturmagazin arbeitete, ließ seine Kamera stehen, um eine Gruppe von Schimpansen zu verfolgen. Ein neugieriger Affe kam, drückte auf den Auslöser, schaute ins Objektiv und machte dabei hinreißend gute Selfies. Wirklich gute Porträts. Und wer hat jetzt die Rechte auf diese Fotos? Der Fotograf, weil er die Kamera aufgestellt hat? Der Affe, der aber kein Mensch ist? Es hat sich dann ein Verein gebildet, der gesagt hat: „Wir nehmen jetzt treuhändig Rechte von Tieren war. Wieso soll ein Affe nicht Rechte an seinem Foto haben?“ Die Gerichte haben das allerdings verneint.

Sind meine Gedanken frei?

Es ist nicht strafbar, auch wenn wir etwas ganz Böses denken. Insofern sind die Gedanken frei. Künstliche Intelligenz kann aber vielleicht in einigen Jahren Gedanken lesen. Wir können mittlerweile – wenn auch sehr primitiv noch – durch die Abnahme von Gehirnströmen außerhalb der Gehirnkapsel identifizieren, woran ein Proband denkt. Was passiert, wenn die Technik so gut wird, dass wir auf Distanz Gedanken lesen können? Werden wir dann Schutzkappen tragen müssen, um unsere Gedanken zu schützen?

Haben Sie Angst vor dem, was Sie mir da gerade erzählen?

Ich glaube, das muss jedem Sorge bereiten, die Vorstellung, dass nicht einmal mehr unsere Gedanken privat sind, der letzte private Bereich, ohne kritisiert, überprüft, beurteilt zu werden.

„Es ist nicht strafbar, auch wenn wir etwas ganz Böses denken!“

Was treibt Sie jeden Tag?

Die Neugierde, neue Dinge zu schaffen, kreativ zu sein, etwas zu gestalten, was es vorher noch nicht gab – die eigene Überraschung darüber, was am Abend vor einem liegt, was man in der Früh noch nicht in seinen Gedanken hatte.

Was ärgert Sie?

Schlechte Kunst.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten?

Eine Einzeldarstellung in der Tate Modern.

Ich danke für das Gespräch.

Guido Kucsko, geboren 1954, entscheidet sich als junger Mann Künstler zu werden, studiert aber auf Druck der Familie Jura und spezialisiert sich als Anwalt auf Geistiges Eigentum. Heute ist Kucsko Senior-Partner von Schönherr Attorneys at Law, einer der größten Wirtschaftskanzleien des Landes und Honorar-Professor am Juridicum. Er besitzt eine große Sammlung alter Zauberuntensilien.
Kucsko wird von der Wiener Galerie Ulysses vertreten. Seine konzeptionellen Arbeiten, Zeichnungen, Fotografien, Skulpturen und Collagen, integriert der Künstler auch in Lesungen und Happenings, in denen er sich unter anderem mit Themen wie Urheberschaft, Copyright, Wahrnehmung und Sprache auseinandersetzt.

www.kucsko.com
www.schoenherr.eu

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