In High Heels

Bizarre Nachrichten aus einer intimen Welt

Die Geschichte von Mari Katayama schreibt sich wie ein Märchen des 21. Jahrhunderts: Praktisch über Nacht erlangte sie Bekanntheit über das soziale Netzwerk MySpace, als sie dort ein Foto von sich inmitten ihrer selbstgenähten Stofftiere liegend hochlud. Was dabei Aufmerksamkeit erregte, war nicht nur ihre Handwerkskunst, sondern ebenso ihre amputierten Beine und Prothesen. Tibiale Hemimelie nennt sich die seltene Krankheit, die bei der heute 29-jährigen japanischen Künstlerin als Kind diagnostiziert wurde und zur Verkürzung ihrer Schienbeine sowie zur Verformung ihrer Hand führte. Als Mädchen traf sie die Entscheidung, ihre Beine amputieren zu lassen, um somit eines Tages mittels Prothesen laufen zu können – wohlgemerkt in High Heels. Das Gehenlernen mit den Gehhilfen dokumentierte die – auch als Sängerin und Model tätige – Kunstschaffende unter dem Titel „High Heel Project“. Museen und Galerien in Japan buhlen um die Foto- , Näh- , Mode- und Performancekünstlerin, wie zuletzt ihre Einzelausstellung im Museum für Moderne Kunst in Gunma, Japan, und eine Gruppenausstellung im Mori Art Museum in Tokio bezeugen. Auf Instagram hat die junge Mutter Mari Katayama tausende Followerinnen. Sie fürchtet Menschen mehr als Geister.

„Ich bin mir nicht sicher, ob so etwas wie ,Intimität‘ in dieser Welt existiert.“

Was bedeutet Intimität für Dich?

Da ich nicht gerade gut darin bin, mit Leuten auszukommen, ist es schwierig für mich, eine intime Beziehung mit jemandem aufzubauen. Daher habe ich kein konkretes Bild davon, was der Begriff „intim“ bedeuten soll. Selbstverständlich ist Intimität nicht durch die einseitige Kommunikation realisierbar, aber ich persönlich bezweifle, dass gegenseitige Kommunikation wirklich möglich ist. In diesem Sinne bin ich mir nicht sicher, ob es so etwas wie „Intimität“ in dieser Welt tatsächlich existiert.

Auf welche Frage möchtest Du eine Antwort finden?

Im Laufe meiner Projekte frage mich immer: „Ist das wirklich notwendig oder nicht?“ Was auch immer das Material ist, dem ich gegenüberstehe, ich versuche, ein kritisches und strenges Urteil darüber zu fällen, um zu sehen, ob es sich wirklich als Arbeit eignet.

„Ich fürchte Menschen mehr als Geister.“

Was ist das schönste Kompliment, das Dir jemals jemand gemacht hat?

Ich befürchte, ich kann mich an keines erinnern.

Wovor fürchtest Du Dich am meisten im Leben?

Ich fürchte Menschen mehr als Geister, obwohl ich noch nie welche gesehen habe.

Was mir am Menschen unheimlich erscheint, ist, dass er dazu neigt, zu viele Dinge zu erschaffen, die unkontrollierbar sind, wie beispielsweise Automobile und Atomkraftwerke. Menschen nutzen ihre Fähigkeiten, um Dinge zu kreieren und Dinge zu zerstören.

Was ist Dein liebster Körperteil und warum?

Ich würde sagen, meine Stimme, weil es der einzige Teil ist, den ich mit meiner Mutter gemeinsam habe. Sonst gibt es keine anderen Teile meines Körpers, die ich besonders mag.

Wenn Du etwas auf der Welt verändern könntest, was wäre das?

Ich würde die Todesstrafe vollständig abschaffen.

Was machst Du als Erstes am Morgen?

Ich öffne den Vorhang, wechsle die Windeln meiner Tochter, danach mache ich Frühstück und richte eine Lunchbox für meinen Mann. Vor der Geburt meiner Tochter hatte ich keine Morgenroutine.

David Meran, unser Chef vom Dienst, entdeckte die japanische Künstlerin Mari Katayama bei einem Tokio-Aufenthalt im Mori Art Museum im Rahmen einer Gruppenausstellung. Mit dem Wissen, dass einer japanischen Person nichts schwerer fällt, als „Nein“ zu sagen, haben wir ganz frech um Fotos für unser Magazin und Antworten auf einige Fragen gebeten. Klischee hin oder her, auf die japanische Höflichkeit ist einfach Verlass!

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