ImmerHin

Ein Versuch, das Bild meiner Mutter zu rekonstruieren

Vor zehn Jahren habe ich meine Mutter plötzlich durch ein traumatisches Ereignis verloren. Unsere Beziehung ist immer kompliziert gewesen, und ihr unerwarteter Tod hat mich mit ungelösten Emotionen zurückgelassen. Seitdem haben mich nächtliche Träume von ihr verfolgt – ein unaufhörliches Verlangen, ihre Präsenz irgendwie in mein Leben zurückzuholen. 

Text: Beatrice Signorello 

Da es nur sehr wenige Fotografien von ihr gegeben hat, habe ich begonnen, meine Erinnerungen an sie – und die Funktionsweise von Erinnerung selbst – zu hinterfragen. Das hat mich zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der Rekonstruktion ihres Erscheinungsbildes geführt. Mithilfe von Archivfotos, maschinellem Lernen und manueller digitaler Bildhauerei habe ich ein 3D-Modell ihres Gesichts erstellt. Dieses Modell habe ich 3D-drucken lassen, daraus eine Form gefertigt und schließlich eine Silikonmaske gegossen. 

Nachdem die Maske – samt einer selbstgestylten Perücke – fertig gewesen ist, habe ich sie getragen und Selbstporträts aufgenommen. 

Dieses Projekt ist nicht nur ein Versuch der Wiederherstellung, sondern ein performativer Akt der Annäherung. Die Maske trägt Spuren des Scheiterns in sich– ihre Unwirklichkeit, ihre Starrheit, ihre Unschärfe – und damit auf das Unmögliche verwiesen: die Rückkehr einer Abwesenden. In ihrer Unvollkommenheit liegt eine zarte, flüchtige Hoffnung – und zugleich die Erkenntnis, dass Erinnerung immer auch Konstruktion ist. 

Ein riesengroßes Dankeschön an alle, die mir bei diesem Projekt geholfen haben – besonders an Roland Reiter und Leonard Weydemann. 

 

beatricesignorello37@gmail.com - Instagram @siamosoloconchiglie - Website https://beatricesignorello.com/ 

 

Beatrice Signorello ist Fotografin und Mathematikerin aus Wien und derzeit für ein dreimonatiges Praktikum bei dem Fotografen Alec Soth in Minnesota. Sie kommt ursprünglich aus Italien und ist nach Wien gezogen, um dort in Mathematik zu promovieren, was sie 2022 abgeschlossen hat. Seit 2023 studiert sie im Fach Angewandte Fotografie an der Universität für angewandte Kunst Wien. Mit ihren Projekten „Plantsch! Ein Sommer in Gänsehäufel” und „Regina” erforscht sie die verborgenen Schichten menschlicher Emotionen und Interaktionen und verwischt dabei die Grenzen zwischen dem Alltäglichen und dem Außergewöhnlichen. „ImmerHin” ist ein fortlaufendes Projekt, das sich um die Erinnerung an ihre Mutter dreht. Sie nimmt Aufträge entgegen – insbesondere für Porträts.