Die Mode-Botschafterin

Österreichische Mode reist nach China

Wenn ein Reissack in China umfällt, interessiert das sprichwörtlich niemanden. Dass es aufmerksamkeitsökonomisch um zeitgenössische österreichische Mode in China deutlich besser bestellt ist, beweist das Ausstellungsprojekt ReFashioning Austria, das im Dezember im Liu Haisu Art Museum Shanghai zu sehen sein wird. Mit Arbeiten aus den Bereichen Mode, Textil, Fotografie und Animation will Claudia Rosa Lukas, Kuratorin der Ausstellung, dieses Interesse noch weiter schüren und zeigt: Österreich ist mehr als Sissi, Sängerknaben, Kaisergruft und Klimt.

Werner Sturmberger: Gibt es im riesigen China wirklich Interesse daran, was im vergleichsweise winzigen Österreich passiert?

Claudia Rosa Lukas: Bereits jetzt sind einige österreichische Labels sehr stark im asiatischen Raum vertreten. Mit der Internationalisierung und der steigenden Bedeutung der Shanghai Fashion Week, die zeitgleich mit unserer Ausstellung stattfindet, kann sich allmählich ein noch größerer Markt für die heimische Szene entwickeln. Die großen internationalen Labels gibt es bereits in hoher Dichte vor Ort. Viele Leute sind davon aber bereits übersättigt und haben Lust auf Neues. Deshalb liegt der Fokus der Ausstellung auf zeitgenössischem österreichischen Modedesign.

Wenn Du jetzt China mit Europa vergleichst, stellst Du da große Unterschiede im Modeverständnis der Menschen fest?

Zurzeit kann man einige Parallelen beobachten. Zum Beispiel in den Bereichen faire Produktion, Nachhaltigkeit, Förderung lokaler Designerinnen oder der Etablierung von neuen Präsentationsplattformen für Design, Mode und zeitgenössische Kunst. Europaweit ist in den kreativen Studienrichtungen ein starker Zuzug von asiatischen Studenten spürbar. Somit wachsen Asien und Europa auch auf kreativer Ebene enger zusammen. Junge chinesische Labels haben auch eine sehr ähnliche Arbeits- und Präsentationsweise wie die Labels hier. Sehr positiv zu beobachten ist auch, dass junge nationale sowie internationale Modelabels in den großen Shopping Malls und Einkaufsstraßen mit eigenen Shops vertreten sind, vor allem im Xintandi District. Die Menschen, die man auf Shanghais Straßen sieht, wissen auch ganz genau, was sie da tragen, und wofür sie Geld ausgeben. Das ist sicher eine Chance für junge europäische Designerinnen.

"Kunst und Handwerk rücken wieder näher zusammen."

Wie kam es zu dem Projekt?

Das Liu Haisu Art Museum war an einer Ausstellung über Mode aus Österreich interessiert und wandte sich damit im März 2015 an das Bundesministerium für Kunst und Kultur. Ich kam damals gerade aus London zurück, wo ich zum dritten Mal das Ausstellungsprojekt Another Austria im Rahmen der London Fashion Week präsentiert hatte. Nach einem intensiven Austausch war ich im November das erste Mal zu Besuch in Shanghai, um die Räumlichkeiten, des erst kürzlich umgezogenen Museums, zu besichtigen. Im neuen Gebäude des Museums werden uns über tausend Quadratmeter zur Verfügung gestellt. Die Ausstellung wird Anfang Oktober eröffnet und die ersten Ausstellungsobjekte sind bereits eingetroffen.

Was wird es dort zu sehen geben?

Die Ausstellung zeigt mit über 60 Beiträgen von Designerinnen und Künstlerinnen einen guten Überblick der zeitgenössischen österreichischen Modeszene. Darüber hinaus werden eine Reihe künstlerischer Positionen aus den Bereichen Fotografie, Illustration, Video und Animation zu sehen sein. Bei der Auswahl war es mir wichtig hochqualitatives oder experimentelles Design von Leuten zu zeigen, die sowohl national als auch international arbeiten und eine eigene, wiedererkennbare Handschrift entwickelt haben: Marina Hoermanseder, Ute Ploier, House Of The Very Islands, Arthur Arbesser, Sabinna, Brandmair, um nur einige zu nennen.

Was hat Dich bei der Konzeption der Ausstellung geleitet?

Es ging darum das breite Spektrum der österreichischen Modelandschaft abzubilden, mit einem besonderen Fokus auf alternativen und experimentellen Gestaltungsmethoden und der Erweiterung traditioneller Verfahren. Zu zeigen: Wo stehen wir jetzt und wie geht es weiter? Dann kam auch noch die Herausforderung hinzu in einem Land wie China, zeitgenössisches österreichisches Modedesign zu präsentieren. Ende der Neunziger, Anfang 2000 sind verstärkt österreichische Labels im Ausland aufgetreten und haben sich dort einen Namen gemacht. In Wien selbst konnten mehrere Labels ihre Shops etablieren. Mein Ausgangspunkt war: Welche Images und Eindrücke dieser Entwicklung der letzten Jahre sind da im Kopf hängen geblieben? Plötzlich hatte ich eine doch sehr lange Liste. Die österreichische Modeszene ist sicher überschaubar, aber klein ist sie nicht.

Mit Wiener Werkstätte und Emilie Flöge, die Modedesignerin, Unternehmerin sowie die Lebensgefährtin und Muse Klimts war - gibt es auch einen expliziten historischen Bezug im Programm der Ausstellung, oder?

Die Ausstellung wird in Zusammenarbeit mit dem Museum in Shanghai entwickelt. Dabei war es ein Wunsch einen Bereich zu zeigen, der für das Publikum in Shanghai gut bekannt ist. In Zusammenarbeit mit Studierenden der Donghua University wurde Ende Juni dazu ein Workshop initiiert. Die Resultate werden im Rahmen der Ausstellung und in einer eigenen Publikation vorgestellt. In der Ausstellung selbst werden die Eckpunkte der österreichischen Modegeschichte aber nur über Wandtexte transportiert. Die Ausstellungsobjekte sind eher nur dem zeitgenössischen Modeschaffen gewidmet.

"Designlabels suchen wieder verstärkt die Zusammenarbeit mit Traditionsunternehmen!"

Erkennst Du im aktuellen Modenschaffen noch eine Relevanz der Wiener Werkstätte?

Ja und gerade jetzt ist mir das stärker aufgefallen. In den Neunzigern und Zweitausendern dominierten eher die schlichten und minimalistischen Teile. Die Designerinnen haben in den letzten Kollektionen aber wieder vermehrt Wert auf Verarbeitung und handwerkliches Können gelegt und haben begonnen mit Mustern zu arbeiten. Geometrische und abstrakte Formen lassen sich zahlreich durch viele Kollektionen beobachten. Kunst und Handwerk rücken wieder näher zusammen.

Ist diese Kombination aus traditionellen Techniken und Materialien und innovativem Design auch eine Stärke der lokalen Szene?

Gerade im Bereich traditioneller Handwerkstechniken und Materialien ist in den vergangenen Jahrzehnten leider auch viel verloren gegangen. Viele Designlabels suchen aber wieder verstärkt die Zusammenarbeit mit Traditionsunternehmen oder interpretieren Handwerkstechniken neu. Einigen Designerinnen gelingt es sehr eindrucksvoll, dieses Handwerk aufzugreifen und mit gutem Design zu kombinieren. Im Rahmen der Ausstellung sind zum Beispiel Sagan Vienna (Anm.: vormals Bradaric-Ohmae) oder Rosa Mosa vertreten. Das Textile Zentrum Haslach im Mühlviertel mit seinem Bestreben Verbindungen zwischen Tradition, Kunst, Technik, Forschung und Praxis zu schaffen, ist hierbei sicherlich auch hervorzuheben.

Würdest Du bei Hightech-Materialien und Techniken die Situation ähnlich einschätzen? Es wird zwar viel über die Techniken berichtet, aber nur wenige Modeschaffende arbeiten doch wirklich damit?

Diesbezüglich stehen wir noch am Anfang. Das Entwickeln und Arbeiten mit Hightech-Materialien braucht eine längere Anlaufzeit. Regelmäßige Kollektionen sind in diesem Bereich nicht möglich, da die Produktionsprozesse aufwendig sind. Labels arbeiten hier an Produkten, die über Jahre entwickelt werden müssen, bis sie letztendlich zum Endverbraucher kommen. An der Kunstuniversität in Linz wurde erst kürzlich der Studienlehrgang Fashion & Technology eingerichtet. Ich bin mir sicher, da wird sich in nächster Zeit noch einiges tun.

"Die Konsummuster verändern sich im Moment stark, davon können kleine Labels profitieren!"

Wie ist es mit Re- und Upcycling?

Sustainability und faire Produktion sind mittlerweile in Europa und zunehmend auch in China ein großes Thema und ziehen sich darum auch durch die gesamte Ausstellung. Gerade junge Labels, die oft selber in ihren Ateliers produzieren, zeigen eine hohe Sensibilität für die Thematik der Rohstoffe und Arbeitsverhältnisse.

Erkennst Du da auch bei den Konsumentinnen Änderungen im Konsumverhalten?

Im Moment befinden wir uns sicher in einem Umdenkprozess. Das merkt man auch daran, dass wieder mehr Menschen mit ihren eigenen Händen etwas schaffen wollen. Die Konsummuster verändern sich im Moment stark, davon können kleine Labels profitieren. Es gibt bei vielen Kundinnen eine Tendenz, lokal zu kaufen und dafür mehr Geld auszugeben, anstatt sich noch mehr Massenprodukte, die man eh schon zuhause hängen hat, zuzulegen. Solange die Leute diese Produkte kaufen, werden die Fast-Fashion-Ketten aber weiterexistieren.

Wien gilt ja jetzt nicht unbedingt als Modemetropole. Ist diese Stadt für jemanden der Mode macht oder mit Mode arbeitet dennoch ein guter Arbeitsplatz?

Der Lebensstandard ist hoch und die Mieten sind verhältnismäßig niedrig. Die Stadt hat eine überschaubare, gute Größe. Das macht das Arbeiten hier etwas leichter. Ich finde es auch interessantdie allmähliche Internationalisierung der Stadt zu beobachten, die Mischung aus Altem und Neuem. Den Zugang zu internationalen und größeren Netzwerken im Mode- und Designbereich findet man allerdings leichter in Metropolen wie London, Berlin oder New York. Daher ist es nach wie vor wichtig, in diesen Städten präsent zu sein, entweder mit regelmäßigen Messebeteiligungen oder indem man seinen kreativen Lebensmittelpunkt mal für kurze Zeit dorthin verlegt. Ich habe selber länger und immer wieder in London gelebt, was mir schon auch manchmal fehlt. Aber in Wien lässt sich dafür ganz gut relaxed arbeiten.

Vielen herzlichen Dank für das Gespräch und alles Gute in Shanghai!

Claudia Rosa Lukas ist als Designerin und Kuratorin tätig. Bekannt ist sie darüber hinaus als Herausgeberin der Online-Plattform Austrionfashion.net. Sie studierte an der Universität für angewandte Kunst in Wien unter renommierten Größen wie Vivienne Westwood, Helmut Lang, Marc Bohan und Jean Charles de Castelbajac. Ihr eigenes gleichnamiges Label gründete sie 2002. Seit 2013 präsentiert sie aufstrebende österreichische Modelabels im Rahmen des Ausstellungsprojektes Another Austria, während der London Fashion Week. Bei der diesjährigen Präsentation, als Teil von Utopia 2016 im Somerset House, wurde der Österreichbeitrag als einer der besten Ländershowcases nominiert.

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