Die Buben im Pelz

Velvet Underground auf Wienerisch

Wurst statt Banane, Schwedenplatz statt Lexington Street und Wien 2016 statt dem New York der späten Sixties. Als Bandprojekt Buben im Pelz beamen die umtriebigen Musiker und Radiomacher Christian Fuchs und David Pfister den legendären Abgesang auf die Hippie-Ära The Velvet Underground & Nico ins 21. Jahrhundert und in die Welthauptstadt des Grants.

Unser Redakteur Werner Sturmberger hat Christian Fuchs und David Pfister im ORF Funkhaus Wien getroffen. Im Gespräch erklären sie, warum Deutsch nicht groovt, sie mit Austropop nichts anfangen können und der Wien-Hype gerechtfertigt ist.

"Wir beide sind keine Veganer, schlachten aber auch nicht täglich Tiere"

Werner Sturmberger: Wie steht Ihr zu den Themen Wurst essen und Pelz tragen? Beides ja Kulturtechniken, die nicht unumstritten sind.

David Pfister: Velvet Underground als Vorlage muss man, selbst bei der kreativen Freiheit, die wir uns erlaubt haben, gerecht werden und zumindest in Ansätzen dem Original „treu bleiben“. Die „Venus in Furs” als “Venus im Pelz“ (Das Video zu „Venus im Pelz“ –und ein paar mehr– gibt es am Ende des Interviews, Anm. d. Red).

Christian Fuchs: Velvet Underground „light“ geht nicht, eine Soft-Variante von dem, was es mal war, geht sich nicht aus. Entweder ganz oder gar nicht. Es gab tatsächlich Leute, die gesagt haben: „Muss das sein? Nennt Euch doch Buben im Kunstpelz.“ Die Venus im Pelz hat Lou Reed ja von Sacher-Masoch. Die kann man doch nicht in einen Kunstpelzmantel stecken. Ich habe selbst keinen Pelzmantel zuhause, trag aber Lederschuhe und gerade eine Lederjacke. Wir beide sind keine Veganer, schlachten aber auch nicht täglich Tiere.

Der Pelz ist geblieben, die Banane des berühmten Velvet Underground-Covers mutierte bei Euch jedoch zur Wurst...

DP: Die Wurst ist ein gutes Sinnbild für Österreich.

CF: ... und Wien. Wir haben sogar ironischerweise, obwohl wir fernab jeder Ironie stehen, eine Gurke auf das erste Single-Cover gegeben. Die war also quasi vegan. Aber Wien ist doch mehr Würstelstand.

Ihr singt im Dialekt. Warum dann „Buben im Pelz“ und nicht „Buama im Pöz“?

DP: Der Name entstand einfach. Wir haben im Zug über das Projekt geredet, und es im Spaß, sozusagen behelfsmäßig, „Buben im Pelz“ genannt. Der Name ist dann geblieben. „Bub“ ist ja jetzt kein extrem ostdeutsches Wort. Ich finde, mit dem Namen haben wir ganz gut die Kurve gekriegt.

CF: Wir bewegen uns in einem Zwischenbereich. Wir legen keinen Wert darauf, mit einem Wienerlied-Lexikon unter dem Arm möglichst originalgetreu den Slang von Ottakring wiederzugeben. Wir pendeln sogar hin und wieder zum Hochdeutschen. Als Band erheben wir nicht den Anspruch, einen Dialekt konservieren zu wollen. Sprache verändert sich eh dauernd.

Seid Ihr „echte Wiener“?

DP: Ich bin geborener Wiener. Ich bin in Kagran aufgewachsen, wohne in Kaisermühlen. Der Dialekt ist mir also schon nahe.

CF: Ein Falscher. Steirer.

"Der Wiener Dialekt ist angenehm zu singen. Es ist sehr facettenreich, wenn es um das Uneindeutige und die Zwischentöne geht."

Du bist also eher ein „angelernter Wiener“?

CF: Genau. Der Wiener Dialekt ist der einzige in Österreich, der mich immer angezogen hat. Normalerweise hasst man ja das Wienerische am Land. Ich fand es jedoch immer total anziehend und so bin daher Fake-Wiener-Lied-Sänger geworden (lacht).

Was reizt Euch am Wienerischen?

CF: Für mich ist es im ganzen deutschen Sprachraum einer der leiwandsten Dialekte: Wienerisch hat eine gewisse Härte, gleichzeitig ist es weich und in Punkto Charme, Aggression und Verkürzung sehr nah am Englischen. Ich bin ja extrem anglophil.

Einer unser ersten übersetzten Songs war „Fuck Forever“ bzw. „G’fickt Für Immer“, damals noch mit der „Neigungsgruppe Sex, Gewalt und gute Laune“ (gemeinsam mit den Musikern und Journalistenkollegen Fritz Ostermayer und Robert Zikmund, Anm. d. Red.). Da kamen wir der englischen Version schon ziemlich nahe. Das hätten selbst die von mir hochverehrten Tocotronic nicht so gut geschafft. Beim Velvet Underground-Album als Vorlage war die Aufgabe natürlich nochmal größer, weil das ja so eine musikalisches Monument ist. Das wäre für uns auf Hochdeutsch gar nicht gegangen.

DP: Der Wiener Dialekt ist angenehm zu singen. Es ist sehr facettenreich, wenn es um das Uneindeutige und die Zwischentöne geht. Das macht Freude. Auf der Tour begleitet uns öfter Boris Bukowski. Wir covern dann häufig sein Kokain-Lied.

CF: Hochdeutsch funktioniert für mich nur dann – und ich muss mich jetzt gegen die ganze Musikszene der vergangenen zehn Jahre stellen –, und dann aber brillant, wenn die Musik auf diese Sprache auch eingeht. Wenn sie genauso schroff ist – bei den Neubauten zum Beispiel – oder wenn die Musik Kunstmusik ist, und die Sprache eine Kunstsprache und an die deutsche Romantik oder so etwas anknüpft.

Aber ganz viel, mittlerweile etablierte, deutschsprachige Musik kann ich mir nicht anhören. Deutsch groovt nicht und macht so Vieles nicht. Ich mag Deutsch einfach nicht. Auch das Argument, dass es einem so nahe ist, find ich total falsch. Im Pop flüchtet man ja vor dem, was einem nahe ist. Das ist ja die ganze Idee von Popkultur. Vielleicht ist für mich als Steirer das Wienerische einfach selbstverständlich. Das flutscht.

"Ich brauche keine Stadt, wo die Trends im Viertelstunden-Rhythmus wechseln"

Ist Austropop irgendwie wichtig für Euch?

CF: Ich bin mit Kottan- und Qualtinger-Platten aufgewachsen. Austropop ist bei meinen Eltern aber nie gelaufen. Für mich war Austropop in einer gewissen Phase meiner Entwicklung der „totale Feind“. Ich hab eher DAF und Fehlfarben gehört als Stefanie Werger. Bei allen Revivals und Hypes heute wird ja alles wieder hochgespült, dann ist alles plötzlich leiwand und cool, was einem früher peinlich war. Das funktioniert für mich überhaupt nicht.

DP: Für mich hat Austropop früher auch keine Rolle gespielt. Ich hab den halt als Kind im Radio mitbekommen. Ich besitze eine Ludwig-Hirsch-Platte und eine von der EAV, das war’s. Ich kenne das Werk von Wolfgang Ambros nur marginalst – und es interessiert mich auch nicht.

Wo seht Ihr die Verbindung zwischen dem New York von Velvet Underground und dem Wien von heute, in dem Eure Adaption angesiedelt ist?

DP: Da gibt es schon eine Parallele. Das ermattete New York nach dem Exzess, kurz nach dem Ende der Factory, als alles im Begriff war abzustürzen. Dieses Gefühl, das man retrospektiv nur in Filmen und Musik wahrnimmt, spiegelt sich auch aktuell im europäischen Gestus wieder. Alle sind müde von den Eskapismen der vergangenen Partys und stehen mit großer Angst der Zukunft gegenüber. Die traurige Ermattung verbindet beide Epochen.

CF: Generell waren die Nullerjahre in der westlichen Popkultur so ein Euphorie-Jahrzehnt: Es gab natürlich 9-11, aber auch Elektro und Rock’n’Roll, überall Partys, und alle haben gefeiert. Nach den 80ern war das vielleicht die zweite große Party-Dekade. Und jetzt ist die Party irgendwie vorbei.

Ich glaube, es ist ein bestimmter Zeitgeist, der heute mit damals verbindet. Ende der 60er zerplatzt dieser Traum. Velvet Underground war die Band, die radikal auf das Ende von Love & Peace reagiert hat. Mit Vietnam und Nixon kam dann etwas sehr Dunkles. Ich will nicht Schwarzmalen, aber irgendwas nicht ganz so Angenehmes –und hoffentlich nicht so Schlimmes– steht uns bevor.

DP: Das war tatsächlich ein großer Auftrag an uns selber, New York nach Wien zu beamen, Orte und Situationen zu finden, die das Original spiegeln. Im Fall von „Waiting For My Man“ war das halt relativ einfach. Dass diese Orte alle in Wien sind und die Sprache eben Wienerisch ist, war immer fraglos.
Wenn man danach trachtet, ein Lied oder einen Text zu schreiben, der eine Realität widerspiegelt, dann kann ich das nur über Situationen und Orte, die es gibt, die ich erlebt habe – wo ich mich auskenne. Da ich nicht in Dortmund lebe und niemals dort war, ist es eben Wien und Wienerisch. Ganz einfach.

"Austropop ist ja bis auf ein paar Ausnahmen größtenteils biedere Musik ..."

Habt Ihr auch manchmal Fluchtfantasien in Bezug auf Wien?

CF: Ich auch nicht. Mich nervt nur im Alltag der Grant, den man dann in den Songs stilisiert. In den Stücken kann man den als Waffe benutzen. Es gibt nichts Besseres als mit diesem Schild gegen die Welt, den man aus Sprache und Musik erbaut, auf der Bühne zu stehen. In dem Moment fühlt man sich gut.

CF: Ich auch nicht. Mich nervt nur im Alltag der Grant, den man dann in den Songs stilisiert. In den Stücken kann man den als Waffe benutzen. Es gibt nichts Besseres als mit diesem Schild gegen die Welt, den man aus Sprache und Musik erbaut, auf der Bühne zu stehen. In dem Moment fühlt man sich gut.

Wie nehmt Ihr diesen Blick von außen auf Wien wahr? Sowohl die heimischen Bands als auch die Stadt werden im Moment ja ziemlich abgefeiert...

DP: Ja, ich glaube, das ist vollkommen berechtigt. Tatsächlich ist Wien und ganz Österreich, nicht nur was diese Dialektszene betrifft, Alternativ-Pop-technisch sehr kreativ, aufgeweckt und ganz vorne mit dabei. Es ist schön, wenn man das international – sprich in Deutschland – mitkriegt. CF: Ich finde auch. Darüber gibt es überhaupt nichts Negatives zu sagen. Es ist auch völlig egal, ob uns die eine oder andere Band gefällt oder nicht. Generell ist es einfach gut, dass es passiert. Genau wie bei der Elektronik-Welle der 90er.

DP: Ich finde schön, dass es eine neue Generation von Musikerinnen gibt, die nicht diesen seltsamen Minderwertigkeitskomplex haben, weil sie aus Österreich kommen. Der hat sich, nicht zuletzt durch die Arbeit von FM4, in den letzten Jahren in Luft aufgelöst. Ich hoffe, das bleibt auch so, wenn der Wien-Hype vergeht! Denn er wird vergehen.

Beginnt sich da so grad etwas wie eine österreichische Pop-Identität oder -Tradition zu etablieren?

CF: Für mich ist ja das größte Vakuum hier das Fehlen einer, wie auch immer gearteten, Rock’n’Roll Tradition. Ich mein damit nicht unbedingt die Musik, sondern den entsprechenden Spirit, den es hier und auch in Deutschland nicht gibt. Das ist der größte Vorteil, den die anglo-amerikanischen Länder haben. Austropop ist ja bis auf ein paar Ausnahmen größtenteils biedere Musik und war für mich immer Anti-Rock’n’Roll.

Ich freu mich daher irrsinnig über diese Schnitzelbeat-Compilations, die ganz obskure Rock’n’Roll Musik aus den 60ern und 70ern versammeln: Da fehlen die schleimigen Kolonovits-Keyboards, da fehlt das Brave und Biedere. Diese Bands haben alle einen Huscher und das ist es, was Rock’n’Roll ausmacht – es hat etwas Widerständiges.

DP: Aufgrund der Vorarbeit vieler Leute ist vielleicht erst jetzt eine Pop-Tradition sichtbar geworden. Nach drei, vier Generationen und zaghaftem Beginn in den 50ern gibt es das vielleicht erst aktuell so richtig.

CF: Natürlich freut es mich, wenn es eine Wiener-Lied-Band in Deutschland schafft. Noch schöner ist , dass die Schnitzelbeat-Compilations in London im Rough-Trade-Store weggehen wie die warmen Semmeln. Mir ist das Kosmopolitische wichtig. Nicht immer dieses kleine, enge „Wir san wir“. Das ist  furchtbar.

Euer Wienerisch ist also kosmopolitisch zu deuten?

CF: Wir meinen es auf jeden Fall so, sonst würden wir ja nicht Velvet Underground covern, sondern Heurigen-Lieder.

Die Buben im Pelz

Erste Erfahrungen mit Cover-Versionen im Dialekt sammelten Christian Fuchs und David Pfister an der Seite von Fritz Ostermayer und Robert Zikmund in der „Neigungsgruppe Sex, Gewalt & Gute Laune“. Christian Fuchs feilt im Moment an seinem Soloprojekt, David Pfister hat soeben mit dem Psychedelic-Wave-Trio „The Devil & The Universe“ die dritte Langspielplatte veröffentlicht. Als Buben im Pelz schreiben sie gerade am zweiten Album und werden 2016 mehrere Konzerte in Österreich und Deutschland spielen.

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Musikvideos von Buben im Pelz:

https://www.youtube.com/watch?v=tgVgmiL4_Ps
https://www.youtube.com/watch?v=tj3doJJQx3g
https://www.youtube.com/watch?v=qKdiZGORR-Q
https://www.youtube.com/watch?v=qhoLIf7d2AM

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