Die Agentin

Die etwas andere Künstlervermittlung

Sandra Schuppach ist der Typ Frau, die sich statt dem laktosefreien Joghurt lieber einen starken Espresso mit einem Zigarettchen gönnt. In Wien und Berlin betreibt sie eine Agentur für Filmschaffende, die hinter der Kamera arbeiten, und irgendwie ist sie auch Karrierecoach. Das Konzept ist für Österreich ziemlich neu und ungewöhnlich. Aber läuft gut.

Antje Mayer-Salvi: Wieviel Stunden telefonieren Sie pro Tag?

Sandra Schuppach: Ach, da bekomme ich schon öfter mal heiße Ohren. Mindestens zwei bis drei Stunden hänge ich an der Strippe. Dann skype ich noch mindestens eine Stunde und checke Facebook sicher fünfzig Mal am Tag. Facebook ist schon ein sehr wichtiges Kommunikationsmittel für mich. Ich gebe zu, auch ein ganz klein bisschen Zeitvertreib. Eine ulkige Mischung aus allem irgendwie.

Sie sind aber kommunikativ! Auf eine Agentur wie Ihre muss sich die österreichische Filmszene wohl erst einmal einstellen!?

Die Szene stellt sich immer noch darauf ein! (lacht) Ich vertrete ja nicht –wie üblich– ausschließlich Schauspielerinnen, sondern vor allem Drehbuchautorinnen, Regisseurinnen, Kameraleute, Kostüm- und Szenebildnerinnen. Mit dabei sind auch ein Komponist und ein Sounddesigner, also fast alle Heads of Department, sprich die Leute hinter der Kamera; und on Top eine einzige Schauspielerin.

"Ich suche die Leute nach Sympathie und Talent aus, in dieser Reihenfolge."

Haben die Produzentinnen Angst, mit Ihnen als dazwischen geschaltete Vermittlerin Geld zu verlieren?

Ja, klar, in Österreich ist alles so klein, jeder kennt jeden, warum sollte da jemand dazwischen stehen, wenn man sich eh privat kennt? Die Künstlerinnen lassen sich bei den Gagenverhandlungen leicht drücken. Mit einer Agentin ist das anders: Es gibt professionell verhandelte Verträge und klare Absprachen für die Rahmenbedingungen bei der Arbeit am Set. Da spiele ich gerne mal den Bad Cop.

Das heißt, dass die Kreativen Ihre Jobs ausschließlich über Sie abwickeln?

Ja klar, das ist der Deal. Ich verhandle zum Beispiel Verträge für Auftragsdrehbücher. Die müssen sitzen, da sie lange wirken. Hierfür ziehe ich auch gerne mal meinen Anwalt als Ratgeber hinzu. Ich entwickle gemeinsam mit meinen Klientinnen auch deren selbst initiierte Projekte, inhaltlich, formal, und wir kümmern uns um deren Verwertung natürlich. Ich bin keine Dramaturgin, aber logische Fehler in Drehbüchern zu finden, kann ich ganz gut. (lacht)

"Das mit dem Film war reiner Zufall. Mein Vater ist Architekt, meine Mutter war Angestellte beim ZDF."

Sie stapeln unter, Sie nennen einen Doktortitel der Filmwissenschaft Ihr eigen!

Das mit dem Film war mehr oder weniger reiner Zufall. Mein Vater ist Architekt, meine Mutter war Angestellte beim ZDF. Über das ZDF und meine Mutter hatte ich den Bezug zum Film und den Bezug zum selbstständig Kreativem über den Vater. Ich arbeitete nach dem Abitur als Aupair-Mädchen in Bordeaux  und hatte mich wahnsinnig in einen Franzosen verliebt. Deswegen wollte ich dort dann auch unbedingt studieren.
Meine Freunde rieten mir, "Film und Theater" zu studieren, das wäre „voll einfach“. Das war dann aber gar nicht einfach! Man musste sogar vorspielen. Ich tat es und wurde tatsächlich genommen. Nach zwei Monaten Studium traf es mich wie ein Blitz. Das mit Film war mein Ding! Und das ist es bis heute geblieben.

Nach Bordeaux folgte der Doktor in Mainz, Ausflüge in die Werbefilmbranche, dann endlich Spielfilm in Berlin und schließlich sind Sie in Wien gelandet. Sind die Kreativen aus Ihrem Portfolio Bekannte aus der Zeit?

Teilweise, viele sind neuere Entdeckungen. Eine gute Mischung. Jüngere, die ich versuche, auf den Weg zu bringen, andere, die schon eine ganze Weile dabei sind und ein paar alte Hasen. Und wichtig ist, jeder kann was anderes, sonst entstünde Konkurrenz.
Auch wenn das kitschig klingt, ich sehe meine Schützlinge als Teil einer Art Kreativfamilie, die sich gegenseitig unterstützt. Ich veranstalte regelmäßig Salons und Stammtische in Wien und Berlin. Das ist mein Ding, Networken kann ich ziemlich gut. Und klar: Berlinale und Filmfest München sind meine Fixtermine, da passiert am meisten an interessanten Kontakten.

Die perfekte Salondame! Keine Sehnsucht, selbst wieder kreativ zu sein?

Das ist mir kreativ genug (lacht)! Meine Kreativen hege und pflege ich mit Hingabe. Diese Agentinnenjobs sind nicht umsonst von Frauen dominiert, ein bisschen spielt da eben auch das empathische Mamading mit. Man muss sich in andere Menschen hineinversetzen können und darf nicht nur von sich selbst ausgehen. Es ist sehr fordernd, aber mit einer gewissen Professionalität, gewinnt man wieder Abstand. Ich liiiiebe es!

"Ich mag Filme, die tief in die Seele blicken."

Was sind Ihre Auswahlkriterien?

Ich konzentriere mich auf Kino und Spielfilm im deutschsprachigen Raum. Werbefilm machen meine Kolleginnen Nathalie Winkler und Oona Eberle, die mich vor vier Jahren in ihre Agentur n-o-agency geholt hatten, aus der meine Agentur s-schuppach hervorgegangen ist. Ich suche die Leute nach Sympathie und Talent aus, in dieser Reihenfolge. Ich muss sie mögen, wir verbringen ja viel Zeit miteinander. Ich bin ihre Verhandlerin, ihre Partnerin in vielen kreativen Fragen, manchmal ihr Coach oder seelischer Beistand. Das Werk muss mich dann eben auch packen, sonst klappt das alles gar nicht.

Sie pendeln zwischen Berlin und Wien hin und her. Sind die Kreativen hier in Wien entspannter?

Ja, sie verdienen und leben in Wien besser und das spürt man. In Berlin schlägt einem auf der Straße mehr Aggression entgegen, das Leben ist stellenweise ziemlich hart dort.

Sehen Sie sich auch privat oft Filme an?

Jeden Tag einen. Aber nicht immer im Kino, auch mal am Handy. Ich gebe zu, ich lasse sie manchmal auch ein bisschen vorlaufen. Beruflich, Sie wissen schon. Aber abends vor dem Fernseher schaue ich den ganzen Film. David Lynch liebe ich sehr, Lars von Trier, den frühen Cronenberg. Die Stoffe, die tief in die Seele blicken.

Gibt es Film, die Sie zigmal gesehen haben?

Ganz klar: Melancholia von Lars von Trier, Lost Highway und Mulholland Drive von David Lynch!

Rufen Sie die Produzentinnen mittlerweile an? Können Sie – wie in Hollywood –auch mal einen ganzen Film mit der Regisseurin besetzen?

Ich bin ganz gut informiert, wo was gerade am Laufen ist und versuche meine Leute vorzuschlagen. Dass ich ein ganzes Set besetze, das kam bei einem kleineren Projekt schon vor, aber in der Regel rufen die Produktionsbüros an, wenn sie Not haben, jemand abgesprungen oder krank geworden ist. Dass Agentinnen ganz Filme besetzen, gibt es, wie ich momentan höre, auch in L.A. nicht mehr so oft.

Träumen Sie manchmal von Ihren Klientinnen?

Zum Glück noch nicht (lacht). Ich schalte abends mein Handy ab und dann bin ich privat. Das muss ich tun, sonst würden die mir tatsächlich im Schlaf begegnen. Ich habe 36 Klientinnen, das wäre ein wilder Traum!

Sie leben hauptsächlich in Wien. Gibt es Dinge, die Ihnen hier auf den Wecker fallen?

Ja, der Piefke-Hass nervt extrem. Immer diese seltsame Ironie –"es ist ja eh nicht so gemeint". Ich sage immer zu den Leuten, kommt doch mal nach Berlin, und schaut, wie herzlich ihr da willkommen seid. Schneidet euch mal ein Scheibchen davon ab! Es ist wirklich schade, weil es Wien so klein macht. Dieser seltsame Nationalismus ist einfach so borniert. Wien ist eine coole, internationale Stadt, die in solchen Momenten ein bisschen „z'amschrumpft“.

Lieben Sie Wien?

Es ist wunderschön. Es ist unglaublich. Ich habe im Moment das Gefühl, in Wien verändert sich mehr als in Berlin. Hier kannst du gut Karriere machen, gut leben, gut essen, es ist künstlerisch aufregend. Wenn ich in Berlin gelandet bin, kaufe ich mir erst einmal ein paar Flaschen österreichischen Veltiner –was jetzt aber nicht heißt, dass ich das brauche, um Berlin auszuhalten. Deutschland ist meine Heimat und mir mehr als alles vertraut. Mit österreichischem Wein ist es halt noch lustiger dort. (lacht)

Sagen Sie mir noch: High Heels oder Turnschuhe?

High Heels!

Wir hätten uns keine andere Antwort erwartet. Vielen Dank für das Gespräch!

www.s-schuppach.com

Die gesamte Liste der Kreativen, die Sandra Schuppach vertritt:

Marion Mitterhammer (Actress)/ Marcel Kawentel & Timo Lombeck (Screenwriters)/ Marie Kreutzer (Screenwriter & Director)/ Paul Meschúh (Screenwriter & Director)/ Adolfo Kolmerer (Director)/ Hans Günther Bücking (Director and DoP)/ Harald Sicheritz (Director)/ Julia Langhof (Director)/ Sascha Köllnreitner (Director)/ Alexander Sass (DoP)/ Dominik Berg (DoP)/ Juhani Zebra (DoP)/ Leena Koppe (DoP)/ Markus Nestroy (DoP)/ Philipp Pfeiffer (DoP)/ Thomas Kürzl (DoP)/ Tobias Datum (DoP)/ Tobias von dem Borne (DoP)/ Yoshi Heimrath (DoP)/ Anna Wübber (Costume Designer)/ Gudrun Leyendecker (Costume Designer)/ Juliane Maier (Costume Designer)/ Leonie Zykan (Costume Designer)/ Max Wohlkönig (Costume Designer)/ Petra Neumeister (Costume Designer)/ Thomas Oláh (Costume Designer)/ Alexandra Maringer (Production Designer)/ Conrad Moritz Reinhardt (Production Designer)/ Jill Schwarzer (Production Designer)/ Juliane Hoffrecht (Production Designer)/ Markus Dicklhuber (Production Designer)/ Theresia Anna Ficus (Production Designer)/ Veronika Merlin (Production Designer)/ Torsten Heinemann (Sound Design)/ Florian Horwath (Composer, Actor, Author)