Die Wienerin

R.I.Print? No!

Zeit für Real-Talk?! Das Lifestyle-Magazin Wienerin und das C/O Vienna Magazine könnten wohl unterschiedlicher nicht sein. Ein guter Ausgangspunkt für ein Gespräch der beiden Chefredakteurinnen Birgit Brieber und Antje Mayer-Salvi über die Tücken, Tiefen und Höhen des Magazinmachens

„Imitation ist auch eine Form der Bewunderung.“

Antje Mayer-Salvi: Kannst Du Dich an Deinen ersten Artikel für die Wienerin erinnern?

Birgit Brieber: Ja, klar, ich zog gleich am Anfang den Joker. Ich hatte gerade im Beauty-Ressort der Wienerin meinen Job als Redakteurin begonnen, als ein Anruf kam und ich gefragt wurde „Hey, niemand von uns hat Zeit, magst du am Dienstag nach Paris fliegen und Alicia Keys interviewen?“. Ich habe meine Karriere sozusagen mit einem Superstar begonnen. Sie war damals zudem das neue Givenchy-Testimonial. Ich war total aufgeregt und bereitete viel zu viele Fragen vor. Aber es ging alles gut.

Bist Du eine Schnell- oder Langsamschreiberin?

Ich bin eine Schnellschreiberin und liebe gute Zitate! Und ich schreibe als Chefredakteurin noch vieles selbst, mehr als einen Text pro Ausgabe. Es ist mir wichtig, auch inhaltlich zu arbeiten. Ich bin sehr gut organisiert (lacht).

Ich bin leider nicht so gut organisiert, aber im Chaos kann zuweilen auch Kreativität liegen. Interviews sind für mich das Schönste und ich schreibe auch lieber schnell, damit der Drive im Text bleibt! Welche Entwicklungen im Journalismus siehst Du kritisch?

Die Redaktionen werden immer kleiner, das ist ein großes Problem, denn dann muss man in allen Belangen Abstriche machen und sehr aufpassen, dass der Inhalt nicht leidet. Ich würde mir wünschen, dass man sich im Bereich Magazin wieder mehr auf Qualität besinnt und nicht nur auf Klicks und marktschreierischen Content setzt. Ich glaube nicht, dass sich die Welt noch schneller drehen muss.

Finde ich auch nicht. Unsere Interviews sind digital und im Print sehr lang. Anfangs beschied man uns deswegen keine Leserinnen, aber das Gegenteil war der Fall! Welche Themen brennen Dir als Zeitschriftmacherin unter den Nägeln?

Alle Themen, die für die Lebensrealität von Frauen relevant sind. Gerne auch Unerwartetes. In einem Interview mit der Journalistin Ingrid Brodnig ging es kürzlich um die Problematik, dass künstliche Intelligenz hauptsächlich von Männern programmiert wird. Wenn man sexistische Dinge zu Alexa sagte, reagierte sie lange Zeit keck verschämt, wie eine Frau, die man aus den Fünfzigerjahr-Filmen kennt. Nicht nur Alexa, fast alle Sprachassistenten reproduzieren erschreckend sexistische Klischees und Rollenbilder. Es stellt sich die Frage: Warum ist das immer eine Frauenstimme? Warum ist die Frau die Dienerin? Uns ist wichtig, in der Wienerin solche Themen zur Sprache zu bringen.

„Die Welt muss sich nicht schneller drehen.“

Die Wienerin hat sich dazu entschieden, weiterhin gedruckt zu erscheinen, was heutzutage nicht selbstverständlich ist. Ist Print nicht tot?

Wir glauben, dass das Print-Magazin genauso wie das Buch nicht ausstirbt, weil die Leute Spaß daran haben. Lustigerweise gibt es wegen der Pandemie ganz viele Kundinnen, die jetzt zu Print zurückkommen – online sind sie ohnehin immer. Viele Produkte konnte man nicht mehr im Geschäft testen, wegen der Hygienebestimmungen und der Masken, aber mit einem Magazin-Sample, also einer Beilage im Heft, geht das durchaus. Das Heft ist der neue Touchpoint zur Kundin.

Du bist angetreten, um dem Magazin eine neue Richtung zu geben. Warum habt ihr Euch dazu entschieden, Euch ausgerechnet mit den – nicht gerade sexy klingenden – Schwerpunkten Gesundheit und Finanzen im unübeschaubaren Angebot der Lifestyle-Zeitschriften zu positionieren? Das funktioniert?

Als ich begann bei der Wienerin zu arbeiten, gab es im Heft nur eine Seite mit Health-News, von der alle meinten, die sei langweilig. Ich fand die Rubrik schon immer spannend und dachte mir, das Thema Gesundheit muss man viel größer denken, es nicht nur unter dem Krankheits-Aspekt beleuchten, sondern als Lifestyle betrachten! Mit dem Thema Finanzwissen für Frauen haben wir als erstes Lifestyle-Medium einen Megatrend aufgegriffen. Die wachsende Zahl an Medien und Content Creators, die darauf aufspringen, zeigt das deutlich. Insofern haben wir mit unseren Schwerpunktthemen, glaub ich, alles richtig gemacht.

Frauen wollen sich offensichtlich nicht mehr mit Schönheits-, Mode- und Diättipps intellektuell unterfordern lassen. Interessieren Dich die Themen Beauty und Medizin wirklich so sehr?

Ich hab schon als Kind gerne Magazine gelesen, die kleinen Creme- und Parfumproben herausgerissen und geschaut, was es Neues gibt. Das war früh eine Leidenschaft von mir.

„Das läuft natürlich nicht.“

Gibt es No-Gos oder Themen, die Du als Chefredakteurin nicht im Heft haben willst?

Was man noch nie in der Wienerin gefunden hat und auch weiterhin nicht finden wird, sind Diätgeschichten oder einen „So schaffst du die Bikini-Figur“-Artikel. Eine unserer ehemaligen Chefredakteurinnen regte sich immer auf, wenn jemand in den Beauty-Strecken das Wort „Dellen“ verwendete. „Frauen sind keine Autos, die haben keine Dellen“, sagte sie. 

Lifestyle-Zeitschriften und die Mode- und Kosmetikbranche müssen sozusagen jetzt Sühne leisten?

Die Körperbilder, die uns Millenial-Frauen verkauft wurden, sind wirklich haarsträubend. Die Hollwood-Schauspielerin Bridget Jones wurde uns beispielsweise als Pummelchen verkauft. Das ist eine völlig normale Frau mit einer völlig normalen Figur! Heute sagen die Frauen zum Glück: „Das geht gar nicht!“. Frauen sind viel selbstbestimmter mittlerweile, ich finde das ist eine tolle Entwicklung.

Themen wie Body Positivity werden gerade von vielen anderen Magazinen und in der Werbung aufgegriffen. Wie unterscheidet ihr Euch von anderen?

Diese Themen sind für uns nicht nur Trends, sondern fest verankert in unserer Vision. Wir wollen das Leitmedium für die selbstbestimmte Frau sein und das weit über die Wiener Landesgrenze hinaus. Gleichzeitig wollen wir mit unserem neuen Wien-Ressort auch ein bisschen regionaler werden. Viele Rubriken haben wir als erstes Magazin etabliert, vieles wurde der Wienerin nachgemacht. Ich sage immer frei nach einem Zitat von Oscar Wilde: „Imitation ist wohl die ehrlichste Form der Bewunderung“. Insofern ist es okay.

„Schönheitsarbeit macht mir Spaß.“

Es denken ja viele, dass immer nach Anzeigen, Einladungen und Geschenken geschrieben wird. Wie läuft das eigentlich?

Das läuft natürlich nicht.

Ihr finanziert Euch großteils über Inserate?

Ja! Wenn sich eine Marke in der Wienerin sieht und sagt „Das ist meine Community, da möchte ich präsent sein“, das ist doch super. 

Viele würden natürlich gerne im redaktionellen Teil vorkommen. Wie handhabt Ihr das?

Bei uns ist das immer als Werbung gekennzeichnet. Natürlich stellen wir im redaktionellen Teil eine breite Produktpalette vor, in der dann auch mal Kunden vorkommen, aber diese aufgrund ihrer Anzeigen auszuschließen, wäre sehr ungerecht.

„Dann kam die Party!“

Aber es ist schon so, dass die Kundin sich nach einer Anzeige oft erwartet, wenigstens einmal im redaktionellen Teil erwähnt zu werden.

Ich habe den Standpunkt, dass du ein Inserat kaufen musst, wenn du hundertprozentig im Magazin vorkommen willst. Wenn wir Sachen testen, dann schreiben wir ehrlich darüber, das sind wir der Leserschaft schuldig. 

Welches Know-how braucht eine Beauty-Redakteurin?

Das hat sich stark geändert. Vor zehn Jahren hat es niemanden interessiert, was in einer Creme drinnen ist, heute muss man genau Bescheid wissen, welche Inhaltsstoffe ein Produkt hat. Also ob da Mikroplastik drin ist, wie natürlich die Creme ist, ob sie die Haut reizen könnte, wie welcher Hautzustand optimal gepflegt wird ... dieses Wissen musst du mitbringen. Für die, die Freude an Kosmetikprodukten haben, gibt es tolle Sachen. Man muss als Expertin schon up-to-date bleiben. Ich liebe es ja, mich zu pflegen und zu schminken, ich liebe diese Produkte. Schönheitsarbeit macht mir Spaß.

Was wird jetzt nach Corona kommen?

Ich glaube, dass die Lifestyle-Branche sehr viel Aufwind erleben wird, weil die Leute Lust haben, etwas zu unternehmen und es sich gut gehen zu lassen. Jemand hat das verglichen mit den Roaring Twenties: „Dann kam die Party!“ Ich hoffe sehr, dass die Party kommt und wir das alle wertschätzen. 

Vielen Dank für das Gespräch!

wienerin.at
Birgit Brieber kam 2014 als freie Redakteurin zur Wienerin, seit Jänner 2021 ist sie deren Chefredakteurin und als solche für die Print-Ausgabe und den Markenauftritt verantwortlich. Inhaltlich leitet Brieber die Ressorts Beauty und Gesundheit. Bevor sie zur Wienerin kam, arbeitete sie bei diversen PR-, Werbe- und Eventagenturen.