Der Menschen-Zusammenbringer

Konferenz der Kreativen

Das Forward Festival, auf dem zwei Tage lang Kreative aus der ganzen Welt aller Branchen zusammentreffen, um über ihre Arbeit zu reden, fand das erste Mal 2014 in Wien statt. Seine Erfinder, Mittzwanziger Lukas Kauer und Mittdreißiger Othmar Handl, haben das erfolgreiche Format inzwischen nach München, Zürich und Hamburg exportiert. Alle Veranstaltungen waren bisher restlos ausverkauft. Während des restlichen Jahres beraten die beiden mit ihrer Agentur Forward Creatives große Brands. Wir haben mit Lukas Kauer über die harte Gründungszeit gesprochen sowie über die Trends von morgen, Talente, Hunde und Meditations-Apps.

„Nein, keine Event-Bude.“

Antje Mayer-Salvi: Wie lange schläfst Du zurzeit? Deine Zusage zu diesem Interview hast Du mir um 6 Uhr früh gesendet. Wow, ich bin beeindruckt!

Lukas Kauer: Momentan – so kurz vor dem Festival – schlafe ich tatsächlich nur vier oder fünf Stunden pro Nacht und am Wochenende vielleicht einmal sieben Stunden. Ich bin generell kein Langschläfer. Ich hoffe, ich habe Dich nicht geweckt.

Nein, kein Problem. Ich bin zu dieser Zeit auch schon wach. Wie erklärst Du Deiner Oma, was Du machst?

Das ist eine verdammt schwere Frage! Meine Oma fragt mich jedes Mal, was wir da machen. Ich gebe ihr jedes Mal eine andere Antwort. Einmal habe ich ihr erklärt, dass wir eine Konferenz mit vielen Kreativschaffenden organisieren, und natürlich wollte sie da die Inhalte wissen, aber Grafikdesign und solche Sachen sind ihr fremd. Darauf hat sie mich gefragt, ob wir eine „Event-Bude“ sind. Ich: „Nein, keine Event-Bude.“ Ich sollte für sie noch das richtige Wording finden.

Hast Du es für mich?

Menschen-Zusammenbringer (lacht)? Die Idee für das zweitägige Festival ist eigentlich aus einem persönlichen Bedürfnis heraus entstanden. Ich habe ursprünglich Architektur studiert, und es hat mich damals total geärgert, dass so wenig Disziplinübergreifendes an der Universität angeboten wird und viele kreative Praktikerinnen in Österreich nur ihr eigenes Süppchen kochen. Dann habe ich über ein paar Ecken Othmar (Handl) kennengelernt, der kam da gerade komplett aufgeladen aus Australien zurück, wo man im Kreativbereich viel mehr über die Branchen hinweg miteinander kooperiert.

Wie seid Ihr beide dann zum Forward Festival gekommen?

Wir haben uns gemeinsam irgendwann ein Büro gecheckt und noch nebenbei gejobbt, um das Projekt zu finanzieren. Othmar kam aus der klassischen Marketing-Kommunikations-Ecke, und ich arbeitete für eine Galerie. Mit unseren Förderanträgen sind wir anfangs grandios durchgerasselt. Schlussendlich bekamen wir dann vom Bundeskanzleramt 1.500 Euro, waren aber trotzdem motiviert, und die Kunsthalle Wien war so unglaublich nett, uns unentgeltlich für zwei Tage Asyl zu gewähren. Das Festival konnte 2015 das erste Mal mit diesem Gespann stattfinden und ist auch heuer wieder komplett ausverkauft.

„Mit unseren Förderanträgen sind wir anfangs grandios durchgerasselt.“

Was ist die Idee dahinter?

Wir wollen Leute weiterbringen. Und so entstanden eigentlich die Idee von „Forward“ und der zugegebenermaßen etwas plakative Titel. Es soll eine Art zweitägiger Salon sein und, ja, liebe Oma, auch ein bisschen eine „Konferenz“. Kreative aus Österreich und der ganzen Welt – aus den verschiedensten kreativen Sparten – sprechen weniger über ihre einzelnen Projekte als über ihre persönliche Arbeitsweise und Philosophie, möglichst ohne irgendwelche PowerPoint-Präsis.

Ihr habt ziemliche Kapazunder im Programm. Der aus Österreich stammende Designstar Stefan Sagmeister vergangenes Jahr, heuer Paula Scher von Pentagram, das schwedische Architekturbüro Snøhetta, das gerade den Times Square in New York neu gestaltet, oder den Videoregisseur und Illustrator Ferry Gouw, der für Kunden wie Brian Ferry oder James Blake arbeitet. Geheimtipps sind das aber keine!?

Natürlich sind das Leute, die bekannt und kommerziell sehr erfolgreich sind. Sie haben halt eine gewisse Publicity und spielen auch auf unsere Marke ein. Wenn du eine kleine Brand hast und die am Anfang aufbaust, musst du strategisch vorgehen und dich hocharbeiten. Unser Langzeitziel ist, im besten Fall, Leute zu featuren, die wir selbst entdeckt haben, Perlen, die wir selbst tauchen.

Wie kommt Ihr an die Stars ran?

Wir fragen einfach (lacht), und die Leute finden das Programm einfach auch gut. Aber leicht war das nicht immer. Wir wollten schon vor zwei Jahren Stefan Sagmeister einladen. Unleistbar, dachten wir uns, und dann war es irrsinnig schwer, an ihn heranzukommen, uns wollte niemand wirklich helfen. Da bekamen wir die Ellbogenmentalität in der Szene so richtig zu spüren. Ich saß damals leicht frustriert im Café Sperl und sah plötzlich auf der Website von Sagmeister & Walsh auf einmal eine Telefonnummer für zehn Sekunden oder so aufpoppen. Das macht das Büro absichtlich: Die, die sich mit der Arbeit der Zwei länger beschäftigen, bekommen so den Kontakt. Ich habe einen Screenshot gemacht und mich dann einfach bei Sagmeister gemeldet. Und so ist er nach Wien gekommen. Das hat uns natürlich super gepusht.

Wer, wenn nicht Du, weiß es!? Die Frage aller Fragen: Was ist der Trend der nächsten Jahre? Keine Angst, ich schränke es ein: im kreativen Bereich.

Dieses ganze Thema der Virtual Reality war lange ein großer Hype. Ja, es ist natürlich eine super Technologie, aber das ist halt bisher nur für eine bestimmte Nische großartig – Gaming, Kino, für das ganze Home Entertainment. Leider gibt es aber noch keinen guten – außergewöhnlich kreativen –  Content. Das liegt daran, dass sich die Technologie und die Arbeit kreativer Leute parallel und nicht miteinander entwickelt haben. Jetzt ist es an der Zeit, Schnittstellen zu schaffen und Kreative auch wirklich bewusst an diese Technologien heranzuführen, damit sie experimentell zeigen, was damit eigentlich alles möglich wäre. Ich denke da an Google mit dem Creative Lab, an MINI mit dem Space A/D/O oder Magic Leap.

Und wie stets mit der Augmented Reality? Nur ein gut klingendes Modewort?

Ich glaube, das Gleiche gilt auch für AR, also quasi die digitale erweiterte Welt des Analogen. Der Google-Brille ist es leider nicht ganz geglückt, jetzt kommt aber was Ähnliches von Magic Leap heraus, das bahnbrechend sein wird. Magic Leap ist eine Company aus Amerika, die eine Brille entwickelt hat, die technologisch um einiges ausgereifter, sehr schlicht und funktional ist. Damit taucht man in eine völlig neue Welt ein. Aber alle Leute, die auf diese Trendfragen Antworten haben, sind oftmals Wichtigtuer, weil sich derzeit alles so super schnell ändert, keiner kann es wirklich abschätzen. Das große Ding ist allerdings schon diese Schnittstelle von kreativer Arbeit und Technologie.

„Alle Leute, die auf diese Trendfragen Antworten haben, sind Wichtigtuer.“

Was geht Dir an der Kreativszene in Österreich auf die Nerven?

Bei der älteren Generation ärgert mich, dass sie junge Leute oft nicht zulassen.

Ab wann fängt bei Dir „älter“ an?

Ab 40 oder 45 Jahren ist für mich „älter“.

Also was nervt Dich an Menschen wie mir?

Du interviewst mich ja. Du bist der good Cop (lacht).

Danke! Da habe ich ja noch mal Glück gehabt! Also was nervt Dich an den anderen Älteren?

In Großbritannien und den skandinavischen Ländern kann auch ein 25-Jähriger als Creative Director in einer Agentur sitzen, einfach, weil er gut ist und nicht, weil er schon fünf Jahre dabei ist und dadurch den Vorzug bekommt. Bei den Älteren geht es oft nicht nach Talent, sondern nach Erfahrung und Lebensjahren – ich rede hier speziell von meiner Wahrnehmung in Wien. Das ist etwas, was mich total nervt.

„Ich habe lange sehr damit gekämpft, dass ich immer im Radl bin.“

Wo sind denn momentan die Kuchen für die Kreativen in Österreich?

Also wir vom Forward Festival haben nie von dem Kuchen genascht. Mit der neuen schwarz-blauen Regierung werden die Schnittchen mit Sicherheit auch nicht größer – gerade im kreativen Bereich, wo wir alle zu Hause sind. Ich befürchte, die Portionen werden in Zukunft sogar noch mehr reduziert.

Was machst Du, wenn Du mal zur Ruhe kommen möchtest?

Die App „Headspace: Geführte Meditation & Achtsamkeit“, so der ganze Titel, ist wirklich ein guter Tipp, die Zeit dafür nehme ich mir täglich. Ich habe lange sehr damit gekämpft, dass ich immer im Radl bin. Selbst zu Hause fallen mir immer tausend Dinge ein, die mir keine Ruhe lassen. So kurz vor dem Festival ist dann der Stressfaktor noch dreimal höher. Durch einen Hund, einen Border Collie, der für kurze Zeit in mein Leben gekommen ist, habe ich bewusst gelernt, abzuschalten.

Eine App und ein Hund. Das muss ich mir merken! Erzähl noch ein bisschen mehr über Dich, damit wir wissen, wer Du wirklich bist. Wozu hast Du Talent?

Ich glaube, meine Fähigkeit besteht darin, sehr gut mit Menschen umgehen zu können. Ich habe mich nach der HTL lange in verschiedenen Sozialberufen engagiert und unter anderem viel mit Drogenabhängigen gearbeitet. Natürlich gibt es Leute, die mich nicht mögen, aber da bekommt man eine wahnsinnige Erdung und eine schätzende Art im Gespräch. Und die andere Fähigkeit ist, dass ich eine Vision habe und dafür brennen kann.

„Ich meditiere mit einer App.“

Was war früher Dein liebstes Schulfach?

Technisches Zeichnen.

Das ist jetzt aber nicht sehr kreativ! Auf was könntest Du in Deinem Leben überhaupt nicht verzichten?

Um ehrlich zu sein, Bücher. Technisches Zeichnen ist schon kreativ – die Entwurfsphase gehört da auch dazu.

Ok, es ist kreativ. Was liest Du gerade?

„Die Welt von gestern“ von Stefan Zweig. Das Buch habe ich schon mehrmals gelesen. Ich mag es total gerne, weil du in eine Welt eintauchen kannst, wie sie früher existiert hat. Ich spaziere sehr gerne durch Wien, da habe ich immer das Universum von Stefan Zweig im Kopf – und das liebe ich.

Wenn Du in Deinem Leben etwas verändern könntest, was wäre das?

Weniger arbeiten und mehr Zeit für das Private haben.

Was machst Du nach unserem Interview?

Ins Büro fahren.

Vielen Dank für das sehr sympathische Gespräch und viel Glück für Euer tolles Projekt!

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