Der Designberater

Guter Stil, gutes Karma

Simon Ladner ist gemeinsam mit Katharina Schmid Geschäftsleiter von AREA. Das Unternehmen unterhält Dependancen in Linz und Salzburg, plant, gestaltet und möbliert Räume mit hochwertigen Designstücken. Wir haben den Experten in Linz besucht und ihn gefragt, was gutes Design ausmacht, gemeinsam über den schlechten Geschmack mancher Österreicherinnen gestaunt und erfahren, warum Ikea, Instagram und Großraumbüros besser als ihr Ruf sind.

„Schlechtes Design erkennt man daran, dass es modisch ist.“

Wie bringt man einem Kunden guten Geschmack bei, wenn er keinen hat?

Meistens weiß der Kunde selbst, dass er ihm fehlt und bittet uns deswegen um Hilfe. Wir sind sehr ehrlich. Wir sagen es den Menschen, wenn wir denken, etwas ist nicht gut für sie. Aber grundsätzlich sind die, die zu uns kommen, Leute mit Sinn für gutes Design, weil wir hier ja von uns kuratierte Objekte verkaufen, hinter denen Designerinnen von Weltruf stehen. Wir nehmen nur das ins Sortiment, was uns auch selbst gefällt.

Was ist für Sie persönlich gutes Design?

Wenn ich mich in einem Interieur wohl fühle, die Einrichtung sich gut angreift, es im Raum gut riecht, gutes Licht herrscht, gute Materialien vorhanden sind, alles bestens verarbeitet ist, wenn ich das Gefühl habe, da hat sich jemand was dabei gedacht. Wie ein Lieblingspulli, den man Jahre trägt, der zu allem passt. Schlechtes Design erkennt man daran, dass es modisch ist.

Warum kostet gutes Design vermeintlich viel?

Es ist ja gar nicht wirklich teuer. Sie sitzen gerade auf einem Designklassiker, den Carl Hansen Stuhl ohne Schrauben und Nägel, mit handgearbeiteten Sitzgeflecht und gebogener Lehne aus einem Holzstück, den bekommen Sie ab 700 Euro, den können sie jederzeit reparieren, den besitzen sie ein Leben lang. Ist das nicht überaus günstig? Im Vergleich zu den 200 Euro, die Sie für ein Paar Sneakers ausgeben, das Sie nach einem Jahr entsorgen müssen, weil er nicht reparabel ist.

„Was ist kitschig? Wenn man etwas sein und darstellen will, was man nicht ist.“

Es hilft auch dem eigenen Karma, Dinge nicht wegzuschmeißen ...

Ich bin zwar nicht so esoterisch, aber ja. Wir haben Kunden schon ihr zwölf Jahre altes Sofa neu überzogen und – sagen wir für das Karma (lacht) – die Polster aus dem alten Stoff gefertigt, damit die Erinnerung an die Zeit mit den Kindern im Haus bleibt...

Schön! Was ist kitschig?

Wenn man etwas sein und darstellen will, was man nicht ist. Wir haben einer Kundin schon die ganze Wohnung in Rosa eingerichtet, das war gar nicht kitschig, zur ihr hat es super gepasst. Weiße Ledercouchen sind so ein kitschiges No-Go für mich, aber das ist zugegebenermaßen ein sehr persönlicher Widerwillen.

Hilft Instagram dem guten Geschmack oder schadet es ihm eher?

Eigentlich hilft Instagram eher, genauso wie Ikea. Instagram prägt visuell und das schadet nicht.

Guter Geschmack ist nicht absolut, er ist auch immer einem Trend geschuldet. Was gilt denn zurzeit als „guter Geschmack“?

Schwierig. Klassiker, wie in den 60er bis 90er Jahren, werden heute kaum mehr produziert. Es war früher mehr Zeit für die Produktion da, es gab viel mehr Material-Innovationen, man entwickelte Prototypen, die dann in Ruhe zur Perfektion ausgereift wurden. So sind die großen Designklassiker entstanden, die wir heute in Neuauflage immer noch in unserem Sortiment führen, mit perfektem Sitzkomfort und handwerklich wunderbar gearbeitet. Klassiker haben am Anfang auch immer provoziert.

Ein Klassiker braucht Zeit und Handwerk?

Meiner Meinung nach, Ja. Heute sind die Labels gefordert, auf den Messen zwei- bis dreimal jährlich was Neues zu präsentieren. Früher hat ein Designer für eine Marke exklusiv gearbeitet, heutzutage arbeiten die sogenannten Stardesigner für vier bis fünf Labels, deswegen unterscheiden sich diese auch kaum mehr.

Ist dem Österreicher das Auto wichtiger als die Einrichtung?

Das Gros der Österreicherinnen gibt sein Geld selten für gutes Design aus. Das hat auch etwas mit Bildung zu tun. Wir können in diesem Land eigentlich auf eine große Tradition zurückblicken, man denke an die Wiener Werkstätte, Adolf Loos, Otto Wagner, Josef Frank, aber das scheint verschüttet. Warum wird den Kindern in den Schulen Design nicht vermittelt?

„Das Gros der Österreicherinnen gibt sein Geld selten für gutes Design aus.“

Wenn man sich so das Alltagsdesign in Österreich anschaut, von der Lärmschutzwand, über das Häuslbauexperiment, bis zur Bushaltestelle bekommt man vielleicht die Antwort?!

In der Schweiz und in Skandinavien besitzt Design einen viel größeren Stellenwert als bei uns. Sie finden Designklassiker in jeder Bank, in Hotels und in Restaurants sowieso. Man gibt dafür Geld aus, weil es einem das wert ist. Allein wenn ich schaue, was die Bauträger zurzeit im Bereich Wohnungsbau in Österreich produzieren, stellen sich mir die Haare auf. Warum akzeptieren die Menschen das, warum kaufen und mieten sie diese völlig überteuerten Wohnungen, mit niedrigen Raumhöhen, billigsten Materialen, schlechten Grundrissen, vom Design gar nicht zu reden? Mal abgesehen von löblichen Ausnahmen, sieht alles nahezu gleich aus.

Man könnte die Reihe fortführen, allein die Outfits, die die Ansagerinnen im österreichischen Fernsehen tragen, sind grauenvoll ...

... genauso wie die der österreichischen Politikerinnen, die ein gutes Salär verdienen dürften und sich nicht einmal einen guten Anzug leisten. Fernsehwerbungen, Anzeigen und Restaurantdesign sind in diesem Land teilweise auf einem sehr niedrigen Niveau. Das Möbelangebot der meisten Großmärkte ist da natürlich nicht eben förderlich.

„Ikea ist keine Konkurrenz für uns, die setzen sich wenigstens mit Design auseinander.“

Und warum ist Ikea eher stilbildend?

Ikea setzt sich wenigstens mit Design auseinander und hat gute Leute. Wir führen Produkte im Sortiment, die teilweise auf dem Preisniveau anderer Möbelhäuser sind, aber viel besseres Design haben. Doch die Menschen haben Hemmung Design zu kaufen, da sie glauben, das sei automatisch teuer. Wir bieten Stühle von 85 Euro bis 1.800 Euro an, auch der um 85 Euro stammt von einem Designer mit Weltruf.

Was macht Area genau?

Wir tun uns manchmal schwer, das selbst in Kürze zu formulieren, weil unser Aufgabengebiet so extrem vielseitig ist: Wir verkaufen Design, wir beraten Kunden, wir betreuen Architekten und helfen Unternehmen ihre Büros, Geschäfte und Messestände zu designen. Wir veranstalten Workshops zu den verschiedensten Themen und manchmal agieren wir sogar als Paartherapeuten und Mediatoren, weil sich zum Beispiel Ehepaare nicht einig werden können (lacht).

Ein ganz großes Thema sind zurzeit die offenen Bürolandschaften. Sie sind nicht bei jedem Mitarbeiter unbedingt beliebt?

Das Großraumbüro leidet in Österreich immer noch unter einem negativen Image, nicht zuletzt ist das den amerikanischen Serien geschuldet. Viele denken, es gehe den Unternehmen dabei nur um eine noch größere Optimierung der Arbeitskraft, um Platz- oder Geldersparnis. Die Firmenchefs kommen mittlerweile aktiv auf uns zu, da sie beispielsweise Fachkräfte, besonders aus dem Ausland, nur locken können, wenn sie auch eine moderne Büroumgebung bieten können, und da ist das Open Office nun einmal State Of The Art.

„Teamarbeit ist wichtig, übrigens nicht nur in Kreativ-Agenturen, durchaus auch in Anwaltskanzleien und am Amt.“

Die Firmen locken Fachkräfte mit dem Design ihrer Büros?

Style und Design ist auf alle Fälle ein Argument für Bewerberinnen. Viele, die im Ausland tätig waren, sind andere Standards gewohnt. In den USA findet man die Trendsetter in dem Bereich. Dort wurde früh erkannt, dass großes Potential und Wissen verloren geht, wenn Mitarbeiter nicht analog untereinander kommunizieren und das nur über die digitalen Medien tun. Teamarbeit ist wichtig, übrigens nicht nur in Kreativ-Agenturen, durchaus auch in Anwaltskanzleien und am Amt.

Was macht ein modernes Open Office aus?

Sie finden im Büro Elemente, die man bisher nur dem Privatbereich zugeordnet hat: Weiche Stoffe, Teppiche, Couch, Lesesessel und Sitzecken. Die großen Themen sind Akustik, Belichtung und Belüftung, sie sind die Basis, sonst funktioniert ein Zusammenarbeiten nicht. Man schaut auch, dass man verschiedene Niveaus und Geschwindigkeiten des Arbeitens möglich macht. Höhenverstellbare Tische sind in anderen Ländern längst Standard. Es ist einfach nicht gesund, den ganzen Tag zu sitzen, also animiert man die Mitarbeiter dazu, die Plätze und die Position so oft es geht zu wechseln: Sitzen, stehen, gehen, hocken, meinetwegen auch liegen. Zum Beispiel baut man in einer Teeküche nicht wieder Sitzgelegenheiten, sondern bietet dort eher Stehtische an.

Das Kindergarten-Prinzip?

Ja, genau. Wir wurden mal von einem Kunden gerügt, weil wir den Drucker zu weit entfernt vom Arbeitsplatz hingestellt haben, aber das machen wir absichtlich, so bewegt sich der Mitarbeiter wenigstens mal. Der Körper ist für Bewegung ausgelegt. Auch gibt es in den avancierten Büroräumen keine Mistkübel mehr unter jedem Schreibtisch. Man muss halt aufstehen, um was zu entsorgen, das ist gut für die Fitness (lacht).

„Wir teilen in Österreich grundsätzlich nicht so gerne und viele sind gegen Veränderung.“

In Österreich denkt man im Büro immer noch ziemlich territorial?

Die meisten wollen ihren eigenen Schreibtisch, aber das ist viel zu teuer und braucht man nicht. Bei den großen Konzernen ist man draufgekommen, dass so wie gut wie nie alle Leute gleichzeitig anwesend sind: Es gibt Außendienstmitarbeiter, es gibt Leute, die im Krankenstand, im Urlaub, in der Karenz oder auf Dienstreise sind. Nie sind alle da. Die Firmen gehen dazu über, Platzangebote für – sagen wir mal – 70 Prozent zu bieten, den Rest kann man mit Gemeinschaftszonen ausfüllen. Man hat Arbeitsstationen, die von mehreren Personen gemeinsam genutzt werden können ...

... das findet man in Österreich nur halblustig nehme ich an?

Wir teilen in Österreich grundsätzlich nicht so gerne und viele sind gegen Veränderung. Es gibt andere Märkte, wie in Skandinavien, wo die Leute sehr zukunftsorientiert sind. Das fängt schon in den Studentenwohnheimen an, wo viel mehr Wohnfläche geteilt wird, weil sie teuer ist. Die Leute bedienen sich viel häufiger Shared Spaces. Dort besitzt kaum jemand eine eigene Waschmaschine, in manchen Häusern werden sogar die Wohnzimmer geteilt.

Was funktioniert in Open Offices nicht?

Die Kabelordnung ist in fast allen Büros immer noch ein Problem, wenn das nicht die IT macht, dann liegen die halt herum und kaum ein Mitarbeiter macht sich die Mühe, das ordentlich zu handhaben, obwohl wir das natürlich immer planen. Auch kleine Kojen, wo man sich mal schnell zum Telefonieren und mit dem Laptop zurückziehen kann, wird bei vielen Firmen gar nicht so gut angenommen, aber auch das ist neu: Sehen, wie etwas funktioniert, und es dann dem Prozess noch mal anpassen.

Wie leben Sie persönlich?

Ich habe mir gerade eine neu sanierte Wohnung in einem alten Industriebau gekauft, welche ich gerade noch adaptiere. Ich will mir Zeit lassen mit der Einrichtung, sie soll Stück für Stück wachsen. Die Möbel der alten Wohnung habe ich fast alle verkauft, die besitzen noch einen Wert. Aber den Lounge Chair von Charles und Ray Eames nehme ich mit, das ist mein absolutes Lieblingsstück, der ist so gemütlich. Ein genialer Klassiker! Und im selben Jahrzehnt designt, in dem meine Eltern geboren sind.

Also 1956?! Liegt die Liebe zu Design in Ihrer Familie?

Mein Bruder ist Zimmerer, mein Vater hat schon immer alle Holzarbeiten selbst gemacht. Er war 37 Jahre Bankkaufmann, ist dann ausgestiegen und hat sich mit seinen Drechslerarbeiten selbstständig gemacht; er war damit sogar schon im ORF. Mich hat Design, Architektur, Mode und Gestaltung von Kindesbeinen an interessiert. Ich liebe diesen Job.

Empfehlungen: