Fotografin des Monats: Anna Breit

Stoffe und Gesten

Der österreichischen Fotografin Anna Breit (*1991) ist eine wunderschöne Ausstellung gelungen – sozusagen ein Liebesbrief an ihre Mutter und Oma. Wir zeigen Ausschnitte daraus. Die Arbeiten sind im Original noch bis zum 27. Juli 2025 im Francisco Carolinum in Linz zu sehen.

Text: Elisa Promitzer, Fotos: Anna Breit

Es geht in der Ausstellung „These days I think a lot about the days that I forgot“ um Erinnerungen und darum, wie man sich erinnert. Bunte Stoffe bilden den Hintergrund, auf dem die Fotografin Anna Breit Archivmaterial ihrer Familie, Videos, Sound und ihre analogen Fotografien miteinander verwebt und so einen Bogen von der Vergangenheit in die Zukunft spannt. 

An was kann man sich wirklich erinnern? Kann man sich an den Sonnenbrand erinnern – oder nur an das Gefühl brennender, sich abschälender Haut? Oder wurde es einem nur erzählt?

„Meine Oma starb leider schon vor langer Zeit. Fotos sind ein Weg, sich zu erinnern. Aber auch bestimmte Gerüche lassen mich ihr sehr nahe fühlen – wenn jemand ein Parfum trägt, das dem ihren ähnelt, ist es, als wäre sie für einen Moment wieder da.“

2018 begann Breit, ihre Mutter analog zu fotografieren. „Das Fotoprojekt war zum Zeitpunkt der Einladung zu der aktuellen Ausstellung noch nicht abgeschlossen – und ist es bis heute nicht." 

Füße, rote Fingernägel, faltige Haut, Ausschnitte, keine klassischen Porträts – der Fokus liegt auf Gesten, Textilien, Details.

Manche Fotos sind „persönliche Blicke in die Zukunft", so wie Anna Breit „es ihrem kindlichen Ich erklären würde.“

„Gesten erinnern mich an Menschen, sie lassen mich ihnen näher fühlen, als es ein klassisches Porträt je könnte." 

„Textilien spielten für meine Großmutter eine zentrale Rolle – , die großen Wert auf Gestaltung legte. Ihr Haus steht noch immer, samt der Tapeten und Vorhänge, die sie einst mit viel Sorgfalt auswählte und die heute Teil der Ausstellung sind. Ihre Leidenschaft für Stoffe und Ästhetik lebt in meiner Mutter als Schneiderin weiter – und in mir als Modefotografin.“

Vergänglichkeit, Sterblichkeit und Erinnerungen – und doch keine Trauer, sondern Freude für das, was erlebt wurde.

 

„Ich blicke mit einem positiven Gefühl zurück. Ich hatte eine sehr schöne Kindheit. Ob Archivmaterial oder aktuelle Porträts: Es gab viele lustige Momente, und diese Erinnerungen gehören am Ende dann doch nur meiner Oma, Mama und mir."

„Ich fotografiere generell fast nur analog, auch aus praktischen Gründen. So entgehe ich bei Shootings den lauernden Blicken hinter meinem Rücken (lacht). Ich kann die Bilder erst nach dem Entwickeln zeigen und mich beim Fotografieren ganz auf mein Auge konzentrieren. Ich bin kein Fan von viel Equipment – je besser ich die Kamera kenne, desto mehr Raum bleibt für das Wesentliche: die Person vor meiner Linse."

Die sechs Videoarbeiten von Breit zeigen, was Fotografie manchmal nicht festhalten kann: Bewegungen, Geräusche, Stimmungen – das multisensorische Flüchtige des Moments. Die erste Serie: extrem nahe Handyaufnahmen ihrer Mutter. Die zweite: Videos, in denen Breit mit ihrer Mutter interagiert. 

Auf Instagram schreibt Breit: „Meine Mutter sagt, sie sei meinetwegen Feministin geworden. Aber ich bin wegen ihr eine Feministin, denn sie ist für mich eine der inspirierendsten Frauen, die ich kenne."

Und dann ist da noch die Soundarbeit, die gemeinsam mit ihrem Freund, dem Sound Artist Robert Schwarz, entstand. 

 

„Ich verfremde und abstrahiere drei populäre Songs so stark, dass sie kaum noch wiederzuerkennen sind. Jede Person soll das Gefühl haben, etwas Vertrautes zu hören – und es zugleich, wie eine Erinnerung, nicht ganz greifen können.“

Ihre aktuelle Arbeit THESE DAYS I THINK A LOT ABOUT THE DAYS THAT I FORGOT, kuratiert von Maria Venzl, wird bis zum 27. JULI 2025 im Francisco Carolinum Linz, UNESCO City of Media Arts, gezeigt.

 

Location: Museumsstraße 14, 4020 Linz 

 

Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 10-18 Uhr

 

Die nächste Führung findet am Freitag, den 4. Juli 2025, um 16 Uhr statt.

Anna Breit (*1991) ist Fotografin aus Wien und arbeitet an der Schnittstelle zwischen künstlerischer Fotografie, Mode- und Dokumentarfotografie. 2021 veröffentlichte sie ihr erstes Fotobuch Teens (in their rooms) beim Verlag Fotohof. Ihre Arbeiten wurden unter anderem in der Galerie WestLicht und im Fotohof Salzburg ausgestellt, außerdem im Rahmen der Visage d‘Europe in Paris und auf internationalen Messen wie der Unseen Amsterdam präsentiert. Anna Breits Fotografien erschienen in Publikationen wie der Vogue Italia, Achtung und Der Greif. 2024 publizierte sie ihr zweites Fotobuch Look Book, in dem sie über 100 Porträtfotos aus ihrem Archiv aus den Jahren 2018 bis 2024 zeigt. 

Mutter und Zsöhnchen

Text: Antje Salvi, Rahel Schneider, Fotos: Vivienne Aubin

Wir trafen die 95-jährige Brigitte Meese mit ihrem berühmten Sohn, dem deutschen Künstler Jonathan Meese, mit dem sie seit über dreißig Jahren zusammenarbeitet. Wir sprachen darüber, wie man ein so herausforderndes Leben als Mutter (mit)lebt, warum das mit Hitler dann doch zu viel war, weshalb Liebe und Pflege Kunst sind – und wie sie beide noch mal so richtig loslegen wollen.

Mama & Papa

Text: Claudia Holzinger, Fotos: Claudia Holzinger

Mama in der Badewanne

Mein Vater lebte und arbeitete im Keller. Meine Mutter war die Herrin des Obergeschosses in unserem Haus in Buchbach in Oberbayern. Soweit ich mich erinnern kann, begann die Auswahl eines Geschenks für meinen Papa zu Weihnachten oder zum Geburtstag immer mit der Frage: „Besitzt er schon das neueste Fan-Outfit von FC Bayern München?" Eine Fotoreportage.

Die Süßmilch

Text: Magdalena Willert

Selbstportrait als 70er Jahre Feministin, 2020

Die Künstlerin Sophia Süßmilch ist bekannt für ihre schrägen Performances, schamlose Selbstironie und ihren frechen Instagram-Kanal. Dass sie in Realität recht zurückgezogen lebt und nur eine Kunstfigur darstellt, verstehen nicht alle. Wir reden mit ihr über ihr Privatleben, über Shitstorms, warum sich Brüste wie Waffen anfühlen, und wie das so ist, mit der eigenen Mutter nackt Kunst zu machen.