1.6. bis 6.6.: Vienna Shorts

Kurz inne halten

Jubiläum – das Vienna Shorts feiert seine zwanzigste Ausgabe mit 340 Kurzfilmen aus aller Welt. Unter dem diesjährigen Motto „Just a Moment, Please!“ („Nur einen Moment, bitte!“), soll inmitten des omnipräsenten Lärm zum Innehalten eingeladen werden, auf die Art und Weise, die nur in einem dunklen Kinosaal möglich ist. Die Länge der eingereichten Filme beträgt wie immer maximal 30 Minuten. Wir haben dieses Jahr wieder die Möglichkeit bekommen, die Filme im Voraus zu sehen und drei exklusive Filmempfehlungen für unsere Leserinnen abzugeben. 

„Das sommerliche Manhattan in anderem Glanz“
NYC RGB (2023)

Die österreichische Regisseurin Viktoria Schmidt verbrachte sieben Monate damit, Filmmaterial aus dem Fenster ihres New Yorker Appartements im 20. Stock, zu drehen. Das ist bei einer der meistgefilmten Städte der Welt nicht ungewöhnlich, wir erinnern uns etwa an Andy Warhols „Empire“, bei dem 8 Stunden lang der selbe Shot auf das Empire State Building gehalten wird. NYC RGB schafft es mit einer Länge von rund sieben Minuten, die Thematik etwas schneller abzuhandeln, in abwechslungsreichen und schönen Bildern, die durch Schmidts besondere Farbtrennungstechnik erzeugt werden. Diese funktioniert folgendermaßen: das (wunderbar körnige) Filmmaterial wird dreimal durch jeweils verschiedene Filter gejagt (die titelgebenden Rot, Grün und Blau). Das erzeugt einen nostalgisch anmutenden, 3D-ähnlichen Effekt, der das sommerliche Manhattan in einem anderen Glanz erstrahlen lässt. Gepaart mit effektivem Sounddesign erzeugt Schmidts Arbeit ein heimeliges Gefühl, dass einen auch nach Ende der – doch etwas kurz geratenen – sieben Minuten nicht verlässt.

„Schwebende Hunde, sprechende Katzenwelse“
Hito (2023)

Das Schöne an Filmfestivals ist es, dass sie die Chance geben auch mal etwas wirklich Ausgefallenes, exzentrisches zu sehen, das wahrscheinlich nicht in den hiesigen Kinos landen wird, und hier haben wir ein Paradebeispiel. Mit Hito hat Stephen Lopez eine surreale, lustige und traurige Science-Fiction-Dystopie geschaffen. Die vierzehnjährige Protagonistin Jani wird von einer surrealen Situation in die nächste gezogen, in denen schon mal schwebende Hunde oder der titelgebende sprechende Katzenwels, der mithilfe einer Klospülung vor dem Tod am Grill bewahrt werden soll. 

Auch hier stimmt die alte Faustregel, dass Science Fiction immer eher Momentaufnahme der Realität als Zukunftsvision ist. Hito rollt einerseits dunkle Kapitel der philippinischen Geschichte neu auf, darunter auch das diktatorische Regime Ferdinand Marcos', dessen Sohn Bongbong der heutige Präsident des Landes ist, und kommentiert andererseits das aktuelle politische Klima. Lopez gibt in Interviews zu, dass die Hauptmotivation für den Film – neben seiner Liebe für Science-Fiction-Kreaturen – seine große Unzufriedenheit mit dem lückenhaften philippinischen Geschichtsunterricht ist. Dieser sei seiner Meinung nach durch reines Auswendiglernen und fehlende Einordnung geprägt, wodurch sich junge Menschen auch leichter politisch instrumentalisieren lassen. Mit dieser antifaschistischen Komödie wollte er ein Gegenmodell dazu kreieren, und das ist ihm auf sehr unterhaltsame Art gelungen.

„Österreichische Fernsehgeschichte im Remix“
Farbversuchsprogramm (2022)

In kaum einem Medium steht die Technik so im Vordergrund wie im Film. In Stefanie Weberhofers Farbversuchsprogramm versucht sich die Regisseurin am Remix eines Stücks österreichischer Fernsehgeschichte. Das Archivmaterial an dem sie sich bedient ist ein an sich recht unscheinbar: ein ORF-Interview von 1969, in dem ein Techniker die Zuschauer in die Umstellung des Senders von Schwarz-Weiß- auf Farbfernsehen einführt. Weberhofer hat das ursprüngliche 35-mm-Zelluloid des Beitrages per Hand eingefärbt, sodass im Laufe des Films immer mehr Farben dazustoßen, und das auf sehr humorvolle Art und Weise. In mühevoller, filigraner Kleinarbeit wird dem Publikum ein entscheidender Moment der Mediengeschichte nähergebracht, der für uns schon längst zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Was der Techniker heute wohl macht?  

Vienna Shorts 2023: 1. bis 6. Juni.
Rund 340 Filme aus 58 Ländern treten in vier Wettbewerben an: FIDO (Fiction & Documentary),  AA (Animation Avantgarde), ÖW (Österreich Wettbewerb) und MUVI (Österreichischer Musikvideopreis). Sollte man einen Film verpassen, kann man sich das gesamte Programm noch bis 30. Juni online anschauen. Als Jubiläumsaktion ist der Eintritt für alle jungen Menschen unter 20 frei!
Sieben Locations: Museumsquartier (Festivalzentrale & Open Air), Blickle Kino im Belvedere 21, Stadtkino im Künstlerhaus, Österreichisches Filmmuseum, Metro Kinokulturhaus, Milieukino  sowie das Gartenbaukino für die Eröffnung. Diese startet am 1. Juni um 19 Uhr.
Im Rahmen des Musikvideo-Preises MUVI findet am 3. Juni ein Konzert der Popfest-2022-Headlinerin W1ZE statt.
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