Fotograf des Monats: Daniel Gebhart de Koekkoek

Miau, Oink, Wau!

Alpakas als Barkeeperinnen und Meerschweinchen als Discoqueens? Unser Fotograf des Monats, der Tiroler Daniel Gebhart de Koekkoek (* 1982), begeistert uns. Wenn er nicht gerade Meerschweinchen mit Komplimenten überhäuft oder Freundschaft mit Katzen schließt, arbeitet er mit Menschen – für das ZEITmagazin, Vanity Fair, Monocle oder Kunden wie Apple, Helmut Lang und Arte. Wir klärten ab, wieso Tiere die besseren Models sind.

„Da braucht es kein Gerede.“

Lara Ritter: Du hast dieses Jahr einen Meerschweinchen-Kalender für 2021 fotografiert, davor hattest Du auch schon Alpakas, Afghanen und Katzen vor der Kamera. Du magst Tiere, wie’s scheint.

Daniel Gebhart de Koekkoek: Ich fotografiere das ganze Jahr über Menschen, daher ist es ein guter Ausgleich für mich, auch mal mit Tieren zu arbeiten. Sie sind viel zugänglicher, da braucht es kein Gerede, die Kommunikation funktioniert auf einer ganz anderen Ebene.

Das ist bereits Dein vierter Tierkalender. Wie kam es dazu, dass Du seit 2018 jedes Jahr einen fotografierst?

Alles fing damit an, dass der Verlag für moderne Kunst auf mich zukam und eine Publikation machen wollte. Ich freute mich total und dachte, dass ein Fotoband angedacht ist, auf den ich wahnsinnig stolz sein würde. Als sie dann einen Kalender veröffentlichen wollten, war ich fast schon gekränkt und meinte ganz ironisch: „Wenn schon einen Kalender, dann einen Katzenkalender!“ Diese zu Beginn nicht ganz ernst gemeinte Idee stellte sich als gar keine schlechte heraus. 

Hufe nach rechts, Pfote weiter nach vorne, Schnauze nach oben, bitte! Wie kommunizierst Du Tieren, wie sie posieren sollen?

Ich gebe meinen Models, egal ob menschlich oder tierisch, nie viele Anleitungen, ich sehe mich eher in der Rolle des Beobachters als in der des Dirigenten. Wichtig ist mir vor allem das Gefühl, das ich der Person oder dem Tier vermittle, denn es spiegelt sich in den Aufnahmen wider. Wenn ich lächle, überträgt sich das genauso wie, wenn ich unruhig bin. Bei Tieren ist es am wichtigsten, entspannt und offen zu sein. 

„Wir überhäuften die Meerschweinchen mit Komplimenten.“

Die Meerschweinchen, die Du für den diesjährigen Kalender fotografiert hast, werden kaum mehr gezüchtet, weil langhaarige Meerschweinchen ziemlich aus der Mode geraten sind. Du hast nach langer Suche eine deutsche Züchterin gefunden, die auf ihrem Bauernhof rund 120 Meerschweinchen dieser Art hält. Wie hast Du die Meerschweinchen aufs Shooting eingestimmt?

Zunächst überhäuften wir sie mit Komplimenten, dann kamen sie zur Hairstylistin, die ihnen schöne Frisuren machte, anschließend wurden sie von der Züchterin massiert, damit sie sich entspannen. Dadurch waren die meisten sehr selbstbewusst und genossen es, sich beim Shooting in Szene zu setzen. Nach getaner Arbeit spazierten sie dann mit ihren neuen Frisuren ganz stolz zu den anderen Meerschweinchen. 

Wer einmal Germany’s Next Topmodel gesehen hat, weiß, dass ausdrucksstarke Gesichter in der Modebranche derzeit sehr gefragt sind. Welches Tier hat das ausdrucksstärkste Gesicht?

Die Alpakas! Die schauen immer aus, als würden sie lachen. Deshalb sind sie Therapietiere, wenn man sich mit ihnen umgibt, geht es einem gleich besser. Tiere haben generell eine extrem beruhigende Wirkung – wenn sich mein Hund abends auf meinen Schoß legt, schlafe ich innerhalb von zwei Sekunden auf dem Sofa ein. 

Du hast Alpakas in Hotellobbys, Himmelbetten, hinter Bartresen und auf Wohnzimmertischen abgelichtet: Ist das die Utopie einer Stadt, die nicht nur für den Menschen, sondern auch für (andere) Tiere gemacht ist?

Hinter meinen Tierfotos stecken gar nicht so komplexe Botschaften, aber natürlich fände ich es schön, wenn es keine Hierarchie gäbe, in der die Tiere untergeordnet sind. Meine Arbeiten sind meist ein Versuch, Fantasiewelten zu konstruieren – ich fühle mich mehr wie ein Kinderbuchautor als ein Fotograf. Die Kinder, mit denen ich bisher die Kalender angeschaut habe, fanden es gar nicht seltsam, dass Alpakas in Wohnzimmern oder auf Esstischen standen, für die ergab das total viel Sinn. 

„Alpakas auf Esstischen – das ergab für Kinder total viel Sinn.“

Wohnungskatzen haben immer wieder ihre wilden fünf Minuten, in denen sie einfach anfangen herumzuhüpfen – in Deinem Katzenkalender hältst Du genau solche Momente fest. Was wollen uns Katzen damit sagen?

Katzen springen sehr gerne und viel herum, aber nur dann, wenn sie sich total wohlfühlen. Das Projekt war recht langwierig, ich besuchte fast fünfzig Katzen und verbrachte viel Zeit mit ihnen, damit sie Vertrauen zu mir aufbauen, aber nur wenige davon entspannten sich in meiner Gegenwart so sehr, dass ich sie beim Herumhüpfen fotografieren konnte. 

Du hast zwar keine Katze, aber einen Hund. Viele Hunde sind ihren Besitzerinnen recht ähnlich. Was sagt Deiner über Dich aus?

Wir schauen uns nicht sehr ähnlich, mein Hund ist sehr langbeinig und schlank (lacht). Ich habe ihn mir eher nach den Eigenschaften ausgesucht, die ich selbst gerne hätte: Er kann wahnsinnig schnell laufen und ist sehr agil – vielleicht wäre ich das auch gerne.  

Was war das erste Foto, das Du je gemacht hast?

Da kann ich nicht die klassische Geschichte liefern: Ich fand nicht schon als Kind die alte analoge Kamera von meinem Opa auf dem Dachboden, sondern fing erst recht spät an zu fotografieren. Bevor ich Fotograf wurde, arbeitete ich im Systemadministrationsbereich in Tirol und betreute Server, bis ich merkte, dass ich immer introvertierter wurde und fast gar nicht mehr mit Menschen sprach. Die Fotografie war eine Art Therapie für mich, um wieder ins öffentliche Leben zu finden. 

„Ich behauptete, professioneller Fotograf zu sein.“

Mit welcher Art Fotografie fandest Du Deinen Weg ins Leben zurück?

Mir war es immer schon wichtig, finanziell unabhängig zu sein, deswegen suchte ich einen kommerziellen Fotojob und landete bei der APA. Ich behauptete einfach, professioneller Fotograf zu sein, bekam prompt einen Auftrag und stand plötzlich mit meiner Kamera inmitten von anderen Pressefotografen, total geschockt und aufgeregt. Die APA fand die Fotos zum Glück super – daraufhin arbeitete ich dort zwei Jahre. Mittlerweile habe ich fast in jeder Fotografiesparte einmal gearbeitet.

Welche war die Schlimmste?

Am schlimmsten war es, Businessporträts von Anzugmännern zu fotografieren, die einfach möglichst gut aussehen wollten. Dabei entstanden mehr oder weniger sinnlose Fotos von Menschen, mit denen ich nicht viel anfangen konnte. Hochzeiten zu fotografieren, die ja sehr verrufen sind, fand ich hingegen schön, die waren immer so emotional, da fühlte ich richtig mit, aber das kann man natürlich auf Dauer nicht machen, wenn man ernst genommen werden will. 

Du arbeitest mittlerweile seit über zehn Jahren als Fotograf und hast für Marken wie Helmut Lang und Apple fotografiert. Was ist das Anstrengendste daran, Fotograf zu sein?

Die Buchhaltung (lacht)! Alles andere ist schön – besonders die Momente, in denen ich gute Ideen habe.

„Am schlimmsten waren die Businessporträts.“

Du warst mal bei einer Taufe von den Zeugen Jehovas. Wie kam es zu der Idee für diese Fotoserie?

Ich fand es spannend, dass man sich bei den Zeugen Jehovas den Zeitpunkt aussuchen kann, an dem man sich taufen lässt. Wenn man darüber nachdenkt, dass in der katholischen Kirche Kinder zwangsgetauft werden, scheint es doch völlig absurd, dass der Katholizismus als „normal“ wahrgenommen wird, die Zeugen Jehovas jedoch völlig verschrien sind. Ich bin kein Befürworter, hatte aber ein offenes und ehrliches Interesse an dieser Taufe und ließ mich als Pressefotograf für „VICE“ akkreditieren, um dabei zu sein. Das Presseteam der Zeugen Jehovas ging die Medien sehr genau durch und konfrontierte die Fotografen vor Ort mit kritischen Artikeln. Ich musste also praktisch ein Verhör durchlaufen, schaffte es aber rein. 

Du hast auch schon den Zauberer Tony Rei fotografiert, auf Deinen Fotos schwebt er auf einem Hexenbesen. Wie hat das funktioniert?

Würde ich dir das verraten, müsste ich dich hinterher leider umbringen (lacht). Es war Voraussetzung für das Shooting, die streng geheimen Tricks auf keinen Fall weiterzugeben. Tony Rei ist ein sehr kreativer Ingenieur, und es war beeindruckend zu sehen, wie er arbeitet. Früher, als es noch keine virtuellen Visual Effects gab, war er in Werbespots für die Spezialeffekte zuständig. Einmal ließ er für Visa zwei Frauen über einem Wasserschlauch schweben.

Du lebst in Berlin und Wien. Was ist der Unterschied zwischen den beiden Fotografieszenen?

Als ich nach Berlin zog, merkte ich, dass die Fotografieszene in Wien viel besser ist als gedacht. In Berlin ist der Kampf ums Überleben härter, die Fotografinnen hier messen sich daher eher an Fashion Editorials als an komplett freien Strecken, wie man sie in Wien öfter findet. Aber ich mag den starken Wettbewerb, es ist eine gute Herausforderung, immer am Ball zu bleiben.

Was ist Dir beim Fotografieren wichtig?

Das Team, mit dem ich arbeite! Mir ist wichtiger, dass alle miteinander harmonieren, als die besten Make-up-Artistin und den besten Set-Bauer zu haben. Nur wenn sich alle wohlfühlen, ist eine kreative Entfaltung möglich.

Vielen Dank für das Gespräch!

Daniel Gebhart de Koekkoek begann 2006 als Fotograf zu arbeiten und machte 2008 ein Praktikum bei Magnum Photos in New York City. Er arbeitet für Magazine wie „Vanity Fair“, „Monocle“, „Financial Times“, „VICE“, „ZEITmagazin“, „SZ-Magazin“, „Wallpaper“ und Klienten wie Apple, Mercedes-Benz und BMW. Sein Buch The World We Live In (2013) gewann einen Preis bei dem PDN Photo Annual 2014. Sein Kalender Jumping Cats erschien 2016.

Hier geht’s zum aktuellen  Pin-up-Guinea-Pigs-Kalender.

koekkoek.xyz

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