Der Feuerwehrmann

Die Gemeinde Inzersdorf liegt im oberösterreichischen Traunviertel und umfasst sechs winzige Ortschaften. Drei davon, darunter das 400-Einwohner-Dorf Lauterbach, bieten mehr als eine Raiffeisenbank und einen Nah & Frisch: Sie besitzen eine Freiwillige Feuerwehr. Eine Institution, die im Landleben tiefe, traditionsreiche Wurzeln schlägt. Sie rettet Katzen von Bäumen, hilft bei Unwettern, ist Ursprung aller Zelt-Feste und Quelle für ausufernden Bier- und Bratwürstelkonsum. Sie zeigt aber auch auf, was das Land im Innersten zusammenhält: Das Ehrenamt. Karl Huemer war fast 30 Jahre lang Kommandant bei der FF Lauterbach und hat sie - nicht ohne die langjährige Unterstützung seiner Leber - zu einem Ort des sozialen Miteinander gemacht. Wir treffen den 78-Jährigen vor dem Feuerwehrzeughaus.

“Ich hab zwar keine Lehre gemacht, aber gelernt hab ich trotzdem viel!”

Eva Holzinger: Karl, wann und warum hast du dich entschieden, der Freiwilligen Feuerwehr beizutreten?

Karl Huemer: Ich war 24 Jahre alt, die FF Lauterbach hatte ihren Monatsabend im Gasthaus meines Vaters. Wir hatten damals einen Untermieter. Ich bin abends in unserer Küche gesessen, da ist ebendieser reingekommen und hat gesagt: „Steht‘s auf, geht‘s rüber in die Gaststube und macht‘s bei der Freiwilligen Feuerwehr mit!”. So war das. Unser Untermieter ist dann oft mit ins Zeughaus gefahren, dem hat das Bier dort recht gut geschmeckt.

Feuerwehrmann zu werden war also nicht dein Kindheitstraum?

Nein. Ich hätte gern Mechaniker werden wollen, aber mein Vater meinte, er braucht mich daheim. Ein Maurermeister, der damals Stammgast bei uns im Wirtshaus war, hat angeboten, dass ich ihm bei der Arbeit helfe. Das habe ich dann sieben Jahre lang gemacht. Danach hab‘ ich mit Kunststoff gearbeitet. Mit den Jahren wurde ich genau so gut wie ein professioneller Maurer. Ich hab‘ zwar keine Lehre gemacht, aber gelernt hab ich trotzdem viel! Später hab‘ ich dann unser Wirtshaus übernommen, weil immer mehr Gäste gekommen sind.

Karl, seit wann gibt es die Freiwillige Feuerwehr Lauterbach?

1933 haben zehn Freiwillige die Feuerwache gegründet und eine kleine Holzhütte für eine Handdruckspritze* und andere Feuerwehrgerätschaften gebaut. Sie haben damals die alten und gebrauchten Schläuche von der größeren Feuerwehr in Inzersdorf bekommen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg konnten sie sich vergrößern, da sind einige Feuerwehrkameraden aus der Gefangenschaft zurückgekommen, auch der Josef Tretter, der damalige Kommandant. In den 50er-Jahren wurde die Freiwillige Feuerwehr dann offiziell gegründet und selbstständig. Zu der Zeit haben wir auch das Zeughaus gebaut. Heute haben wir mehr als 40 Mitglieder.

Wie habt ihr das alles hier finanziert? Das Haus, die Feuerwehrautos…?

Das Zeughaus ist eigentlich Gemeindeangelegenheit, aber die hat uns nicht unterstützt. „Wir haben kein Geld, macht’s das selber!” hat es geheißen. Landwirte und altgediente Kameraden haben dann dieses Grundstück zur Verfügung gestellt, benachbarte Firmen haben mit Baumaterialien und Fachkräften ausgeholfen. 2000 freiwillige Arbeitsstunden und vier Monate später war das Zeughaus fertig.

Bei unserem ersten Feuerwehrauto war es ähnlich; der Tretter ist zum Alteisentandler nach Linz gefahren und hat den Morris, so heißt die Marke, entdeckt. Er hat dann zum Bürgermeister gesagt, dass er ihn kaufen will und 6.000 Schilling dafür braucht. Der Bürgermeister hat das nicht erlaubt, also mussten wir das Geld selbst auftreiben. Wir haben Holz, Papier und Alteisen gesammelt und verkauft, bis wir genug Geld hatten. Umgebaut haben wir es dann auch selbst; 800 Arbeitsstunden haben wir dafür gebraucht.  

Das klingt alles sehr zeitintensiv…

Oft haben wir bis Mitternacht gearbeitet; danach sind wir noch Jausnen gegangen und teilweise bis drei Uhr morgens sitzen geblieben. Handy gab’s damals noch keines, also konnte ich nicht zuhause anrufen und Bescheid geben. Beim Heimkommen hab‘ ich dann manchmal eine Standpauke einkassiert…

„Meine Güte, meine Leber muss was ausgehalten haben.“

Wann wurdest du zum Kommandanten gewählt?

Das war 1976. Ich habe die Feuerwehrkasse damals mit 13 Schilling übernommen. Im Laufe der Jahre haben wir aber Millionen eingenommen!

Wie hast du das angestellt?

Hauptsächlich mit selbst organisierten Veranstaltungen und Bierzelten. Ich hatte zwei besonders gute Ideen: Die Anschaffung eines WC-Wagens und eines Geschirr-Wagens. Beide haben wir für unsere eigenen Feste benutzt, aber auch an andere Veranstalter vermietet. Mit so einem WC-Wagen haben wir 70.000 - 80.000 Schilling pro Saison eingenommen! Außerdem hab mich mit jedem gut verstanden, weil ich sitzengeblieben bin, ich war immer der letzte. Das hat uns viele Sponsoren gebracht, auf die wir auch angewiesen waren. Meine Güte, meine Leber muss was ausgehalten haben. 

Kannst du uns ein Beispiel nennen?

Ich hatte den damaligen Bürgermeister gebeten, einen Herrn von der SPÖ nach einer finanziellen Unterstützung zu fragen, aber der Bürgermeister hat verneint. Also hab‘ ich mich selbst zum potenziellen Sponsor gesetzt, als er nach einem Wandertag bei uns im Gasthaus eingekehrt ist. Wir sitzen also im Bierzelt, dass wir grade für den Eisstockschützenverein aufgebaut hatten.  Und ich sag zu ihm: „Mein Bürgermeister ist bei der ÖVP, der traut sich nicht kommen und dich fragen, also mach ich das jetzt. Wir brauchen neuen Belag für den Asphalt, der kostet 6.000 Schilling. Und Spinde brauchen wir auch, die kosten ca. 40.000 Schilling.“ Seither haben wir Spinde.

„Wir haben uns nicht unterkriegen lassen, wir haben immer eine Gaudi gehabt, gesungen und gespielt.“

Deine schönste Erinnerung bei der FF?

Das ist auf jeden Fall die Gemütlichkeit. Wir haben uns nicht unterkriegen lassen, wir haben immer eine Gaudi gehabt, gesungen und gespielt. Jeder war immer zufrieden. Ich erinnere mich heute noch gern an diese Zeit zurück.

Gibt es einen Einsatz, den du nie vergessen wirst?

Die meisten Einsätze - Unfälle, Wald- und Hausbrände - die ich erlebt habe, waren Gottseidank problemlos. Einmal mussten wir unzählige Viecher aus einem Stall retten. Bei einem Bauer im Nachbardorf hat‘s gebrannt, also sind ich und mein Kollege in den Stall rein. Wir mussten mit einer Motorsäge Pfähle abschneiden um ca. 50 Stiere zu retten, die sind dann durch den Ort und auf die Bundesstraße gelaufen. Eine unserer Autotüren war offen, die hat ein Stier gleich niedergerammt. Gottseidank wurde niemand verletzt. Bei diesem Bauer hat‘s zwei Mal gebrannt, das war immer Brandlegung; den mochte nicht jeder. Der hat auch sieben Mal geheiratet…

War das dein schlimmster Einsatz?

Nein, da fällt mir ein anderer ein. Einmal waren wir Holzarbeiten im Wald, mein Vater, Bruder und ich. Der Nachbar über uns hat gerade seine Wiese gerecht, da hat‘s ihn auf einmal mit dem Traktor umgeschmissen. Diese alten Traktoren hatten Bügel auf den Kotflügeln und einer davon ist in seinem Hintern festgesteckt. Ich bin dann sofort mit dem Traktor runtergefahren, so schnell, dass es mich selbst fast umgeschmissen hätte. Mit der Hydraulik habe ich dann den Traktor aufgehoben, die anderen konnten unseren Nachbar dann rausziehen; dann mussten wir ihn aber noch zu uns nach unten tragen - und eine Straße gab es dort damals noch nicht! 

Vielen Dank für das Gespräch!

Freiwillige Feuerwehr Lauterbach
27 Jahre lang war Karl Feuerwehrkommandant. Er wäre früher abgelöst worden, aber sein Nachfolger ist im Alter von 41 Jahren verstorben, also hat er auf Wunsch der anderen hin weitergemacht. Bei seinen Wiederwahlen hatte er immer nur eine Gegenstimme bekommen: „Ich weiß bis heute nicht, wer das war. Der Bürgermeister hat einmal gemeint, das war bestimmt ein Analphabet!”