Der Cellist

Schräger schöner Sound mit Tiefgang

Der Wiener Lukas Lauermann (*1985) ist ein Ausnahmestreicher, der sein Cello nicht unbedingt immer schont. Im Gegenteil. Für Soap&Skin, Der Nino aus Wien oder Ritornell bearbeitet er sein Instrument, wenn er nicht gerade mit seinen eigenen Bands A Life, A Song, A Cigarette und Donauwellenreiter die Bühne rockt. Anders als viele seiner Kolleginnen am Cello ist er in den unterschiedlichsten musikalischen Kontexten und ein bisschen in der New Bar in der Zirkusgasse im 2. Wiener Bezirk zuhause. Dort lässt man den bekannten Musiker nämlich einfach in Ruhe. Unser Autor “störte“ ihn auf einen Drink zu einem überaus persönlichen Gespräch.

Werner Sturmberger: Was war Dein erstes Instrument, auf dem Du gespielt hast?

Lukas Lauermann: Mit sechs Jahren habe ich mit Klavier angefangen. Das war das Standardprogramm in meiner Familie. Mein Vater ist ja auch Musiker und Komponist. Vorher gab es den vergeblichen Versuch, mich in eine musikalische Früherziehung zu setzen. Das ist daran gescheitert, dass da ein Tisch mit vielen Tasten und daran gekoppelt ein Glockenspiel vor mir stand, und ich aber nie darauf spielen habe dürfen. Das war furchtbar für mich. Zuhause auf dem Klavier habe ich wie wild herumgedroschen. Ich wollte einfach spielen und nicht irgendwelche blöden Pickerl sammeln, weil man eine Viertelnote richtig erkennt. Also wenn ich keine Lust habe, dann lieber streiken und weg damit. Heute noch so.

Das Cello war aber dann die große Liebe?

Mit zehn Jahren wollte ich ein zweites Instrument lernen. Ich hab mir ein paar angeschaut und bin beim Cello geblieben. Mit 15 oder 16 Jahren habe ich mir das Gitarrespielen selbst beigebracht, weil ich in Bands mitspielen wollte. Ich hatte keine Ahnung, wie auf einer E-Gitarre die Verzerrung zu Stande kommt. Ich wusste nicht, dass es solche Kasteln (Bodeneffektgeräte, Anm. d. Red.) gibt. Ich dachte, man greift halt unsauber, damit die Seiten auf das Griffbrett schnarren. Also total grün hinter den Ohren.

War Dir bald klar, dass Du das Cellospielen zum Beruf machen möchtest?

Ich konnte mir für mein Studium und Beruf nur etwas Künstlerisches vorstellen. Ich hab in der Oberstufe viel Figurentheater gespielt. Das war meine Parallelwelt. Aber das war halt aussichtslos. Entsprechende Studiengänge gab es nur in Deutschland und Frankreich. Das war mir damals zu weit weg und immer an eine Schauspielausbildung gekoppelt. Selber auf einer Bühne stehen und reden, das bin ich halt überhaupt nicht. Dann wollte ich Bühnenbild machen. Musik fiel mir so spät ein, weil ich annahm, nur als Wunderkind hätte man eine Chance.

"Mein Cello ist ein Teil von mir geworden, das kann man ruhig herreiten."

Hast Du Dir Deine recht ausgefallenen Spieltechniken im Studium angeeignet?

Nein. Im Studium wird das Instrument zu einem Heiligtum erhoben. Klar muss man es pflegen, aber ich mag das halt schon gerne, wenn man das Ding auch richtig angreift. Mein Cello ist ein Teil von mir geworden, das kann man ruhig herreiten. Da habe ich keine Angst. Letztens habe ich sehr viel am Korpus herumgestrichen. Da wurde der Lack dann matt. Es geht doch nicht darum, das Instrument zu konservieren, sondern ums Musikmachen. Für was sollte ich mir es aufheben? Für etwas ganz Besonderes? Ich weiß nicht, was da noch kommen sollte.

Die New Bar, in der wir gerade sitzen, ist so eine Art erweitertes Wohnzimmer für Dich?

In der New Bar bin ich tatsächlich ziemlich oft, wenn ich grad kein Konzert spiele oder proben muss. Hier will ich aber eher für mich sein und irgendwas lesen. Hier geht das, obwohl mich die Leute vom Sehen schon kennen. In anderen Beisln passiert es mir öfter, dass alle glauben, sie müssen mit mir reden, weil ich so allein bin. Das ist mir z’wider!

Was treibt Dich raus?

Ich muss oft auch mal den ganzen Tag zuhause bleiben, um Cello zu üben, der Ortswechsel tut gut. Ich beobachte gerne Leute. Ich kann unter Menschen besser allein sein, als wirklich alleine zuhause. Ich habe beruflich sehr viel mit Menschen zu tun. Zu den Bands und ihren Mitgliedern, mit denen ich spiele, pflege ich ja lauter kleine Beziehungen, manchmal sogar große dramatische (lacht). In der Musikszene hat man mit sehr unterschiedlichen Typen zu tun, die auch unterschiedlich betreut werden müssen und unterschiedlich viel Aufmerksamkeit brauchen.

Du giltst als eher pflegeleicht?

Ich glaub schon, dass ich das bin. Stress mag ich nicht. Ich fühl mich aber ganz stabil.

Was muss passieren, um dich aus der Ruhe zu bringen? Ein Zimmerbrand?

So etwas würde mich gar nicht so aufregen (lacht)! Für manches Gegenüber kann meine Gelassenheit aber ziemlich anstrengend werden. Es ist immer so an der Grenze, dass es als Gleichgültigkeit ausgelegt werden könnte, und das ist in einer Beziehung schlecht. Streiten ist wirklich nicht meine Königsdisziplin.

Weil Du so sehr in Dir ruhst?

Unlängst ist in der Bar jemand zu mir gekommen, der war allerdings sehr esoterisch drauf und auch ziemlich betrunken und sagte: „Ich kenn Dich vom Sehen. Deine Anwesenheit ist wichtig. Wenn Du da bist, ist es anders." Ich höre das öfter, dass ich viel Ruhe ausstrahle. Darauf leg ich auch viel Wert, und das pflege ich geradezu. Bei Auftritten kann ich hingegen laut und wild werden!

"Was für mich platter Pop ist, ist für andere vielleicht schon schwere Kost."

Was Du mit Deinem Cello alles anstellst, ist ziemlich ungewöhnlich!

Alles was mit klassischen Instrumenten besetzt ist, wird sofort als Crossover bezeichnet oder reflexartig in Bezug zur Klassik gestellt. Leute, es ist einfach nur ein Ding, aus dem Töne herauskommen. Stilistisch braucht man sich dadurch doch nicht einschränken lassen. Es ist halt geprägt, weil es früher anders eingesetzt wurde. Ich habe das nie als Einschränkung gesehen. Eher im Gegenteil. Es macht Spaß, es zu erweitern. Mit den ganzen Effektgeräten kann dann auch was ganz anderes herauskommen, als das, was man als klassischen Celloklang gewohnt ist.

Du bist mit Deinem Cello irgendwann bei der Band A Life, A Song, A Cigarette gelandet.

Ja, das war schön zu sehen, dass ich auch mit diesem vermeintlich klassischen Instrument in Bands spielen kann. Ich bin dann auch bald von anderen Musikern gefragt worden, ob ich mit ihnen spiele. Es gibt nach wie vor recht wenige Kolleginnen, die nicht nur klassisch unterwegs sind und bei Popmusik auch abseits von Streicherteppich etwas einbringen können und – natürlich auch wichtig– die Spaß daran haben, mit so einer Partie unterwegs zu sein.

Du lebst ja vom Musikmachen. Kannst Du Dir Deine Engagements aussuchen?

Ja, zum Glück schon. Im Moment spiele ich halt viel mit Leuten, die mir taugen. Nur einen Job abliefern, will ich nicht. Das Musikmachen ist mir da zu persönlich. So aufgeblasene Sachen, wo ich merke, da ist eigentlich nichts dahinter und der musikalische Kern nicht vorhanden oder einfach schwach. Da bekomme ich alle Zustände!

Was muss Musik haben, damit sie Dich anspricht?

Eine gewisse Tiefe, wie auch immer man die definieren will. Unvorhersehbarkeit – also kein Erfüllen von irgendwelchen Schemata. Das finde ich total reizlos. Was für mich platter Pop ist, ist für andere vielleicht eh schon schwere Kost. Ich kann das ganz schwer einschätzen. Es kommt mir nichts zu schräg oder komisch vor. Mir ist echt nichts fremd. Bei allem, was mit Klang zu tun hat, hab ich keine Berührungsängste. Bei A Life, A Song, A Cigarette schreiben wir schon Popsongs. Das ist aber natürlich noch keine Ö3-Kost. Banal eh auch nicht, aber halt Popsongs.

Dich zieht es musikalisch eher zu den schwereren Themen?

Die Musikerin Mira Lu Kovacs und ich haben uns unlängst mal unsere liebsten klassischen Lieder geschickt, weil wir die zu zweit umsetzen wollten. Es hat sich so ergeben, dass es da immer um Dunkelheit, Tod oder zumindest um das Der-Welt- Abhandenkommen ging. Das war der rote Faden. Wir waren uns einig, dass wir das nicht aufheitern müssen. Es ist etwas Realistisches, dass man einmal stirbt. Mich zieht das überhaupt nicht runter, weil ich dabei eine gewisse Tiefe und Substanz empfinde.

Apropos: Wien gilt ja eher als morbid. Lebst Du gerne hier?

Ich bin in Wien geboren, aber in Stockerau aufgewachsen. Ich mag Wien sehr gern, gerade das Stuwerviertel. Ich hab bis jetzt noch nie woanders gewohnt. Die Stadt hat einfach eine gute Größe. Es tut sich immer was. Es gibt immer Möglichkeiten, was zu machen und vergleichsweise viele öffentliche Gelder für potentielle Projekte. Ich finde es immer wieder sehr schön, nach Wien zu zurückzukommen. Das liebste wäre mir aber trotzdem, ständig unterwegs zu sein. Zwanzig Jahre on tour!

Was fasziniert Dich am Touren?

Ich finde es total spannend, woanders zu sein: jeder Weg zu einem Konzert, in einer anderen Stadt durch fremde Straßen zu gehen. Ich finde den Moment so spannend, wenn man darüber nachdenkt, ob man jemals wieder dorthin kommt, oder das alles nie wiedersehen wird. Es ist schön, mit der Musik woanders hinzugehen. Auch das Fliegen wird mir nie anstrengend, solange das Cello einen Fensterplatz hat.

Lukas Lauermann kam 1985 in Wien zur Welt. Seine Jugend verbrachte er in Stockerau, für das Studium am Konservatorium kam er wieder zurück in die Bundeshauptstadt. Seit damals sind er und sein Cello in unterschiedlichsten Konstellationen und mit unterschiedlichsten KünstlerInnen wie Soap&Skin, Mimu Merz, Der Nino aus Wien, Mira Lu Kovacs oder Ritornell zu bewundern. Er ist fixer Bestandteil der Bands A Life, A Song, A Cigarette, FLMNT und Donauwellenreiter. Zurzeit arbeitet er an seinem lang erwarteten Solo-Release. Im Rahmen von Performanceprojekten arbeitete er u. a. mit den Künstlerinnen wie Gelitin, Salvatore Viviano oder Bree Zucker.

www.lauermann.tumblr.com