Die Ferialpraktikantinnen

Die guten alten Zeiten

„Wir waren jung und brauchten Geld!“ Im rosa Duracell-Hasen-Kostüm verteilte DJ und Künstler Tobias Binär im Baumarkt Süßigkeiten, Journalistin Hanna Herbst las während der Arbeit heimlich „Harry Potter“, und Kabarettist Josef Jöchl verkaufte verzweifelt Handyverträge im Wiener Donau Plex. Auch Autorin Barbara Zeman, VIENNA-DESIGN-WEEK-Direktorin Lilli Hollein, Sozialforscher Christoph Hofinger und Chefredakteurin Antje Mayer-Salvi taten nicht immer das, was sie heute tun. Ja, wir hatten sie alle: elende, schöne, peinliche Ferialjobs. Damit diese nicht ganz in Vergessenheit geraten, präsentieren wir eine fantastische Anekdotensammlung – inklusive Fotos – aus dieser Zeit!

„Wir stellten die Handytarife pantomimisch dar.“
Josef Jöchl, Kabarettist

Mein schlimmster Ferienjob war, einen Sommer lang Handyverträge auf der Straße zu verklopfen. Es sollte pro Abschluss 35 Euro geben, und angeblich gingen die auch weg „wie die warmen Semmeln“. Die Realität im Donau Plex sah dann ein bisschen anders aus: Die Firma hatte mit dem Stellplatz etwas nicht richtig hingekriegt, deshalb durften wir keine Menschen ansprechen. Meine Teamleiterin Susanne kam auf die tolle Idee, die Tarife doch einfach pantomimisch darzustellen und den Passantinnen die Formulare stumm zu unterbreiten. Das war natürlich zum Scheitern verurteilt. Alle, die schon mal versucht haben, „Zehn-Euro-pro-Monat-Tarifverträge bei 24-monatiger Bindung inklusive neuem Huawei-Mobile mit Bluetooth“ mit Händen und Füßen darzustellen, wissen, wovon ich rede.

„Die haben mich daraufhin gefeuert.“
Hanna Herbst, Journalistin

Mit 15 Jahren jobbte ich bereits den zweiten Sommer in Folge als Eisverkäuferin. Damals kam auch der neue „Harry Potter“-Band raus und ich musste ihn natürlich lesen. Sofort. Also nahm ich das Buch mit in die Arbeit und las immer, wenn gerade keine Kundinnen kamen. Die Chefs hätten aber gerne gehabt, dass wir Eisverkäuferinnen immer schön bereitstehen – auch wenn eine halbe Stunde niemand kam. Um zu prüfen, ob ich mich an die Vorschriften hielt, schickten sie einen Testkäufer vorbei. Der berichtete den Chefs dann tatsächlich, dass ich in den Pausen in einem Buch lese. Daraufhin wurde ich gefeuert.

„Vier Tage die Woche war nicht wirklich was zu tun.“
Christoph Hofinger, Sozialforscher

Ich war ab 17 Jahren in diversen Redaktionsstuben tätig. Das war meistens recht abwechslungsreich und fordernd – mit einer Ausnahme: Bei einer Wochenzeitung lief es meistens so ab, dass vier Tage die Woche nicht wirklich was zu tun war. Der Höhepunkt der Produktivität war aber immer, als der Chefredakteur, sobald die Donnerstagspost da war, zwei Kopien vom „Die Zeit“-Kreuzworträtsel machte, wir alle Telefone umleiteten und es dann zwei bis drei Stunden darum ging, wer es als Erster fertig gelöst hatte.

„Man konnte sich Liebesnächte in deutschen Bahnhofshotels erschleichen.“
Lilli Hollein, Kuratorin, Journalistin, VIENNA-DESIGN-WEEK-Direktorin

Ich begann schon zu Schulzeiten, mit Begeisterung Sommer-, Neben- und Wochenendjobs zu machen. Erstens brauchte ich irgendwie immer Geld und es machte mir auch einfach Spaß. Auf der Landstraßer Hauptstraße stand ich beim Flohmarkt vor einem Lederwarengeschäft und entdeckte früh meine Qualitäten als Verkäuferin. Im Historischen Museum der Stadt Wien (heute Wien Museum) lernte ich, wie man eine Ausstellung hängt, also zumindest technisch.

Im Heurigenhof Bründlmayer in Langenlois erfuhr ich, dass man Wein nicht allein in rot und weiß unterscheidet und dass alle möglichen Sorten ein spezielles Glas erfordern. Wenn man zarte 17 Jahre alt ist, schaut das alles so gleich aus im Glas – ich habe bei Degustationen sicher für Verwirrung gesorgt und beim Gläserpolieren mehr für die Konjunktur der Firma Riedl getan als für den Heurigenhof.

Mit meiner ersten großen Liebe führte ich für das Gallup Institut Befragungen in Zügen durch, unter anderem in Nachtzügen. So konnte man sich, auch mit Eltern, die keine Fans des Auswärtsübernachtens waren, Liebesnächte in deutschen Bahnhofshotels erschleichen.

„Wir forderten Entspannung und wurden zur Kartoffelernte eingeteilt.“
Barbara Zeman, Autorin

Die Sonnenfinsternis war vollständig. Wir saßen mit Müllsäcken vor den Augen an einer italienischen Straße, die wir selber bauten. Für eine karitative Einrichtung, die ein Drogenentzugsheim hinter dem Hügel betrieb. Ich war 18 Jahre alt. Abends las ich den Baader-Meinhof-Komplex, tagsüber gruben wir Löcher, in die wir Steine schleppten. In der Nähe stand ein Bagger zwischen Brombeersträuchern, aber niemand konnte Bagger fahren, also blieb er bei den Brombeeren. Es war anstrengend. Wir forderten Entspannung und wurden zur Kartoffelernte eingeteilt. Zwei Stunden später meldeten wir uns zum Straßenbau zurück. Unser wackeliges Teilstück war nach vier Wochen bestimmt zehn Meter lang. Ich denke nicht, dass es jemals von einem Auto befahren worden ist.

„Ich musste mir eine Trommel umhängen.“
Tobias Richter alias DJ Binär

Es war Anfang der 2000er-Jahre, ich war noch Student. Auf unijobs.at fand ich wohl einen meiner skurrilsten Ferialjobs. Ich sollte Promotion in einem Baumarkt in Laa an der Thaya machen. Dass es so weit weg war, war insofern gut, da man Kilometergeld bekam und einen niemand kannte. Ich musste ein überdimensionales rosa und ziemlich muffiges Ganzkörperkostüm anziehen und als Duracell-Hase Zuckerl aus einer Umhänge-Trommel verteilen. Darauf spielen konnte man leider nicht. Als Musiker bedauerte ich das damals sehr. Der Kopf des Hasenkostüms war so wahnsinnig schwer, dass ich nach einer Stunde Angst bekam, mir könnte meine Halswirbelsäule brechen, musste aber den ganzen Tag durchhalten. Es war eine Tortur

Ich hatte mich aber offensichtlich bewährt: Wenig später durfte ich bei einem Starmania-Konzert, ebenfalls als Duracell-Hase, Gillette-Rasierer verteilen. Dort waren aber fast nur Kinder im Publikum. Ich habe die Dinger also einfach mit nachhause genommen und war – zumindest damals – immer top rasiert.

„Clevere Köpfe bauen clever.“
Antje Mayer-Salvi, Gründerin & Chefredakteurin, C/O Vienna Magazine

Es war Sommer, ich war 24 Jahre jung, als ich endlich mein Magisterzeugnis in Kunstgeschichte und Philosophie in der Tasche hatte. Eine Ausbildung, die mir eine steile Karriere und viel, viel Geld versprach. Erst einmal hatte ich aber leider keines, eher im Gegenteil. Mir blieb daher nichts anderes übrig, als auf der Messe Bau und Wohnen in Wien zu jobben. Meine Aufgabe war hochkomplex: Ich musste in einem hässlichen weißen Raiffeisen-Overall eine Scheibtruhe voller Prospekte über das Messegelände schieben. Logistisch auch deswegen höchst herausfordernd, weil ich mich immer, wenn ich jemand Bekanntes sah, versteckte – als frisch gebackene Magistra war mir das äußerst peinlich.

Drei Tage ging das gut. Beim Abbauen des Messestandes sollte ich mich im Overall nebst Scheibtruhe – „Nur einmal! Ihr seht so süß aus!“, so eine dortige PR-Tussi – mit dem prominenten Witzeerzähler Harry Prünster (!) für ein Foto vor das Raiffeisen-Logo stellen. Das sei nur „für intern“. Ich war sehr stolz, dass ich den Job „inkognito“ gerockt hatte.

Zwei Wochen später stand mein Telefon nicht mehr still. „Toll, Superstar Antje! Siehst super aus! Wie hast Du denn das geschafft? Immer vorne mit dabei!“ und so weiter. Was war geschehen? Das Foto von Harry Prünster, Scheibtruhe und mir kam auf die Titelseite des Raiffeisen-Magazins, das an zigtausende Haushalte in Österreich geschickt wurde. Überschrift: „Clevere Köpfe bauen clever.“

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