Der optimierte Mensch

Bodyart & Schönheit

Ein Mikrochip im Arm, ein zweiter Penis, Antennen im Kopf: Die Lust an der Veränderung des eigenen Körpers verzeichnet einen nie dagewesenen Hype, der nicht zuletzt durch die Social Media befeuert wird. Wir haben drei außergewöhnliche Menschen gefragt, warum sie sich selbst perfekter machen wollen. 

„Wir könnten den Beginn der Renaissance unserer Spezies erleben.“

Neil Harbisson, Cyborg-Aktivist, Katalonien (ESP)

Neil Harbisson ist der erste offiziell anerkannte Cyborg der Welt. Mittels einer Antenne, die ihm in den Schädel implantiert wurde, ist es ihm möglich, Farben zu hören und Signale und Daten von Satelliten zu empfangen.

„Ein Cyborg zu werden, Technologie zu werden“, so Neil Harbisson, „anstatt Technologie zu benutzen oder zu tragen, eröffnet die Möglichkeit, zusätzliche Organe und Sinne zu haben, die unsere Wahrnehmung der Realität erweitern und unsere Überlebensmöglichkeiten im Weltraum erhöhen könnten. Wir könnten den Beginn der Renaissance unserer Spezies erleben, eine Transformation, die uns helfen wird, unsere Realität tiefgreifend zu erforschen und außerhalb dieses Planeten zu überleben.“

„Die Tatsache, dass die meisten Menschen bereits heute Technologie bei sich tragen, ist ein klares Zeichen für einen Übergang“, so Neil Harbisson. „So wie jemand, der sich als Frau identifiziert, wahrscheinlich zuerst Frauenkleider tragen und sich dann erst einer Operation unterziehen würde, werden sich einige der Menschen, die Technologie tragen, irgendwann einer Operation unterziehen.“

„Ich hasste, wie sie sich anfühlten, ich empfand sie als extrem hässlich.“

Bonnie Bakeneko, Künstler, nicht-binär, Martham (UK)

Bonnie spricht von seinen Brustwarzen. Vor kurzem hat er sie sich operativ entfernen lassen und anschließend gegessen. Roh. Vor laufender Kamera. Er empfand die Vorstellung, dass seine Nippel ihn überleben, oder schlimmer, dass jemand anders seine Nippel besitzen würde, als unakzeptabel. 

„Es fühlte sich so an, als ob ich ihnen verziehen hätte. Sie haben ihr Bestes gegeben, ihr Ding gemacht. Es war nicht ihre Schuld, dass ich sie nicht mochte. Deshalb wollte ich sie weiterleben lassen, in mir. Als ich sie aß, war ich mir nicht sicher, ob ich danach krank werden würde.“  

Seine Mutter erinnert sich daran, dass Bonnie bereits als kleines Kind über die Ablehnung seines eigenen Körpers sprach. Mit 14 Jahren litt er das erste Mal an Magersucht. Er erzählt, dass sein Wachstum durch seine relativ späte Pubertät beeinträchtigt wurde. Seine Brüste, und vor allem seine Brustwarzen, gerieten dabei in den Fokus seiner Neurosen.

„Schönheit ist eine Frage der herrschenden Ideologie.“

ORLAN, Künstlerin, Paris (FR)

„Ich habe mir auf beiden Stirnseiten Implantate einsetzen lassen, die normalerweise zur Verstärkung der Wangenknochen gedacht sind. Diese nutze ich, um die gegenwärtigen Schönheitsideale zu hinterfragen.“

ORLAN, eine französische Body-Art-Künstlerin, stellt die Vorstellung von Schönheit in Frage, indem sie sich bewusst von dem distanziert, was traditionell als „schön“ definiert wird. Um dies zu unterstreichen, hat sie einige chirurgische Eingriffe vornehmen lassen. Ihre „Kunst“ hinterfragt dabei den Status des Körpers in der Gesellschaft, ob kulturell, traditionell, politisch oder religiös. Sie meint, dass all diese sozialen Zwänge in unsere Körper eingeschrieben sind, insbesondere in die Körper der Frauen. 

„Für mich ist die Optimierung ein Versuch, aus dem Rahmen zu fallen, aus all den Zwängen, die den Körper betreffen, und den Schönheitsstereotypen, die uns zugewiesen werden.“

Dieser Beitrag entstand im Rahmen einer Kooperation mit der Meisterschule der Graphischen Wien. Dieser Artikel erscheint außerdem in der C/O Vienna Magazine Sonderausgabe THE CONSUMER ISSUEHier bestellen!

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