Der DIY-Experte

Computertechnologie und Handwerk

Der Architekt und Designtheoretiker Wolfgang List, Co-Gründer des kreativen Wiener Kollektivs MOSTLIKELY, ist der Überzeugung, dass sich das Berufsbild des Designers gerade massiv ändert. Er prophezeit eine größere Anzahl kleinster Unternehmen, günstigere Preise bei mehr Qualität. Vom romantischen Bild des lokal und in Kleinstserien produzierenden Handwerkers hält er wenig.

Antje Mayer-Salvi: Ist das ein neuer Trend: Einpersonen-Unternehmerinnen im Kreativbereich schließen sich unter einem Label zusammen, jedes Mitglied macht aber seine eigene Einkommensteuererklärung?

Wolfgang List: Ich kenne viele solcher Konstruktionen, die zur Zeit aufpoppen. MOSTLIKELY ist auch so ein Kollektiv, das am Schnittpunkt zwischen Architektur, Kunst, Design, Sound und Computergrafik agiert. Als Unternehmen, zum Beispiel in Form einer GmbH, hätten wir bis jetzt nicht überlebt. Da stünden wir dauernd unter dem Druck, Umsatz zu generieren. In dieser Form sind wir flexibler und unverbindlicher unterwegs. 
Erst waren wir zu fünft und jetzt sind wir sogar sieben Leute. Wir kennen uns alle von unserem Studium an der Technischen Universität Wien und haben uns direkt danach selbstständig gemacht. Wir sitzen alle in einem Büro im 5. Bezirk und daraus ergeben sich die Kooperationen. Regel: Unternehmerisch arbeitet jeder auf eigene Rechnung. Die Person, die angesprochen wird, leitet das Projekt, holt sich dann nach Bedarf Hilfe aus dem Team.

"MOSTLIKELY agiert zwischen Architektur, Kunst, Design, Sound und Computergrafik."

Du hast Architektur studiert?

Wir haben alle Architektur studiert, Design ist nicht unser Kerngeschäft, aber wir haben als MOSTLIKELY immerhin unsere eigenen Designlinie, die wir – auch das ist so ein neuer Trend– als Label selbst international vertreiben und teilweise on demand herstellen, denn nur so bleiben sie leistbar. Ein Kriterium, das uns sehr wichtig ist. Einer unserer Schmuckanhänger aus Silber kostet etwa 150 Euro. Das ist wirklich ein sensationeller Preis. Geht nur, weil er auf Bestellung mit dem 3D-Drucker produziert wird. Da gibt es eine Druckerei in Holland, die sogar in Edelmetallen druckt. Fantastisch.

Eure Tiermasken sind ja geradezu ein Markenzeichen von Euch! Wie kam es dazu?

Wir haben als kleines Architekturbüro begonnen. Wir sollten damals eine Tiermaske für ein Theaterstück designen. Ein Eselskopf, der dann aber abgeschossen wurde. Wir haben dann daraus halt einen Lampenschirm aus Papier gebaut, der total gut angekommen ist. Dann folgte ein Katzenkopf, den dann sogar das Wiener Traditionsunternehmen Augarten Porzellan in seine Serie übernahm.

"3D ist ein Mix aus Handwerk und Serienproduktion. Ein spannendes Try and error."

An MOSTLIKELY sieht man, dass sich die Produktionsprozesse im Bereich Design gerade komplett ändern. Durch internationale Vertriebsplattformen im Internet und 3D-Drucker ergeben sich völlig neue Möglichkeiten?

Wir arbeiten mit Low Poly 3D Modelling, das aus dem Bereich der Computerspiele kommt. Mit den Programmen kann man mit so wenig Flächen als möglich komplexe Gegenstände designen. Bei uns war das kein modischer Gag, wir wollten unsere Lampenschirme ja in Papier zum Selber bauen herstellen, wofür wir genau das brauchten. Hätten wir sie schon fertig zusammengebaut verkaufen wollen, hätte sie niemand bestellt, weil sie nicht leistbar gewesen wären.

Ihr produziert mittlerweile sogar Lautsprecher?

Das Wiener Unternehmen mo sound vertreibt ihre Kugellautsprecher aus Porzellan. Coole Sache, aber auch nicht gerade billig. Die Idee war, gemeinsam mit ihnen einen günstigeren Lautsprecher für eine jüngere Zielgruppe zu entwickeln, der trotzdem gut klingt und schick aussieht. Rausgekommen ist The 3D Rock Speaker. Was uns von Anfang klar war: Sobald du Arbeitszeit in die Herstellung von so einem Produkt steckst, wird es teuer. Wenn man früher so ein Objekt serienmässig herstellen wollte, muss man in mühsamer Handarbeit einen Prototypen gestalten und von dem dann ein sogenanntes Werkzeug, eine Art Gussform, produzieren, was sehr teuer ist. Mit einem 3D-Drucker, der ja mittlerweile wirklich leistbar ist, machst du diese Form digital am Computer, der sie dann einfach ausdruckt. Das Beste ist, man kann den Entwurf jederzeit adaptieren. Der Kunde erhält sozusagen jedes Mal einen Prototypen.

Wo ist der Haken?

Natürlich ist man beim Material und Form eingeschränkt, obwohl man in immer mehr Materialien und immer differenzierter drucken kann, sogar Metalle und Keramik. Gewisse Dinge kann man berechnen, aber manches – wie zum Beispiel bei den Lautsprechern – nur live hören und fühlen. Die ersten Versuche beim Rock Speaker klangen absolut schrecklich, und wir mussten schon ziemlich viel herumprobieren. Drei Prototypen brauchte es, dann passte der Sound. Jetzt können wir im Prinzip ständig etwas am Entwurf verändern. 350 Euro kostet ein paar Lautsprecher, in jeder beliebiger Farbe bestellbar und on demand produziert.

Ist das jetzt wirklich so eine Revolution mit den 3D-Druckern oder nur ein Hype?

Das ist schon unglaublich, was sich damit an neuen Möglichkeiten eröffnet. Es stellt so einen Mix aus Handwerk und Serienproduktion dar. Es ist sogar sehr sinnlich, und es ist ein spannendes Try and error. Ich finde, die Arbeit am Computer kann man durchaus auch als eine handwerkliche Arbeit bezeichnen, die Benennung der Werkzeuge der Programme lehnen sich ja an das alte Fachvokabular an. Man sollte genauso trainiert und routiniert sein, wenn man ein komplexes Modell am Computer gestaltet. Ich möchte nicht in das kollektive Gejammer über die untergehenden Handwerksberufe einstimmen. Das Handwerk ändert sich halt einfach.

Erobert sich der kleine Mann die Produktionsmaschinen zurück?

Ja, das tut er, und das ist gut so. Die Maschinen bringen uns sogar neue Ideen. Bei MOSTLILKELY ist das mit dem 3D-Drucker jedenfalls so.

Man muss die Produktionsmaschinen heute aber gar nicht mal unbedingt besitzen?

Nein, auch das ist neu. Wir können per Internet unsere Entwürfe zu einer Maschine emailen, die irgendwo auf der Welt steht, und die produziert dann unseren Entwurf. Wir befinden uns gerade inmitten einer Arbeitswelt-Revolution. Ich nenne es die Automatisierung. Es braucht keine teuren Lagerflächen, Produktionshallen und komplizierte Logistik mehr. Kleine Firmen können ihre Dinge in kleinen Auflagen vertreiben und wieder viel mehr experimentieren.

Du hast sogar ein Buch geschrieben: How to design, produce and distribute an afforable product?

Ich kümmere mich bei MOSTLIKELY um den Verkauf, ich forsche, ich experimentiere und das Ergebnis aus den ganzen Erfahrungen der vergangenen Jahre ist das Buch. Ich finde, klassisches Designen kann super langweilig sein. Deswegen habe ich begonnen, Bücher zu schreiben und hoffe, dadurch einen Diskurs anzuregen. Die Schulen und Unis reagieren auf die neuen Entwicklungen übrigens so gut wie gar nicht. Fatal.

Wie ändert sich der Beruf des Designers?

Wir Designer werden zu den Vertreibern unser eigenen Produkte und gründen immer öfter unsere eigenen Labels. Das bedeutet mehr Aufwand, aber auch größere Freiheit. Lokal zu produzieren macht durchaus Sinn, aber nur, wenn man seine Produkte global verkauft. Dieser Romantik von handgemachten Juwel in kleinen Werkstätten in liebevoller Kleinarbeit gefertigt, kann ich nichts abgewinnen. Wenn man mit Handwerk in Europa überleben will, sollte man auf Automatisierung setzen.

Ich danke für das Gespräch.

Wolfgang List (*1978) hat MOSTLIKELY im Jahr 2012 mit Maik Perfahl in Wien gegründet. Er studierte Architektur an der TU Wien. Bevor er sein eigenes Büro eröffnete, gestaltete er die Lomo Flagship Stores in London, Seoul, Tokyo, Köln und New York. Wolfgang List gründete außerdem das Label DIY ARCHITECTURE. Seit 2014 unterrichtet er am KOEN Institut an der TU Graz.

www.mostlikely.at
www.mostlikelyshop.com